5 Fragen an...

Deutsche Ärzte im Ausland – Teil 5: Schweden

  • Mittwoch, 7. Januar 2015

Berlin – Jahr für Jahr packen deutsche Ärztinnen und Ärzte ihre Koffer und ziehen ins Ausland, um dort als Arzt zu arbeiten. Welche Erfahrungen sie dort machen, was sie an dem Gesundheitssystem ihres Gastlandes schätzen und was sie am deutschen System vermissen, berichten sie dem Deutschen Ärzteblatt in einer neuen Serie. Eine dieser Ärztinnen ist Bettina Berdux-Plaschke (57). Sie hat 15 Jahre in Berlin als Anästhesistin gearbeitet, bevor sie 2007 mit ihrer Familie nach Schweden zog, wo sie heute als Allgemeinärztin in einer staatlichen Gesundheitszentrale in Kalmar/Südschweden arbeitet.

Uploaded: 06.01.2015 18:10:34 by mis
Bettina Berdux-Plaschke

Fünf Fragen an Bettina Berdux-Plaschke, Fachärztin für Allgemeinmedizin in Schweden

DÄ: Warum sind Sie aus Deutschland weggegangen?
Berdux-Plaschke: Vor dem Studium wollte ich eigentlich Landärztin werden. Dann habe ich meinen Mann kennengelernt, der Anästhesist ist, und habe eine größere Nähe zur Anästhesie entwickelt. Nach 15 Jahren hatte ich aber genug davon, und der alte Wunsch nach einer Hausarztpraxis auf dem Lande wurde wieder lebendig. Die Weiterbildung in Deutschland stellte sich aber recht schwierig dar, denn man musste sich seine verschiedenen Einsätze selbst zusammenstellen. Es gab wenig Möglichkeiten, und die Bezahlung ­ na ja. In Schweden sollte es einfacher sein.

DÄ: Was hat Sie bewogen, gerade nach Schweden zu gehen?
Berdux-Plaschke: An erster Stelle die großartige Natur natürlich. Wir haben viele Jahre lang die Sommerurlaube in Schweden verbracht und hatten da schon zehn Jahre lang ein Ferienhaus. Deshalb lag es nahe, dorthin zu ziehen. Sonst wäre höchstens noch ein anderes nordisches Land in Frage gekommen.

Ein Artikel im Deutschen Ärzteblatt kam mir wie gerufen: Ein Berliner Allgemeinmediziner berichtete von seinen Erfahrungen in Schweden. Ich habe ihn einfach angerufen und hatte nach einer Woche eine komplette Weiterbildungsstelle inklusive Sprachkurs in Schweden sicher.

DÄ: Was ist am schwedischen Gesundheitssystem schlechter als im deutschen System?
Berdux-Plaschke: Gar nichts, finde ich. Außer dass die Ressourcen wohl etwas begrenzter sind als in Deutschland, angefangen mit der Anzahl der Ärzte.#

DÄ: Und was ist am schwedischen System besser?
Berdux-Plaschke: Besser gefallen mir in Schweden die klareren Strukturen und die flachere Hierarchie. Ich arbeite zusammen mit Kollegen in einer sogenannten Vårdscentrale, einer Art staatlichen Gemeinschaftspraxis, im Auftrag der Provinz Kalmar. Dies ist hier die normale Form der ambulanten Versorgung, es gibt nur ganz wenige niedergelassene Ärzte.

Das, was wir tun, ist relativ klar umrissen. Wir orientieren uns stark an medizinischen Leitlinien und haben eher vorgegebene Arbeitsweisen im Hinblick zum Beispiel auf Antibiotikatherapie, Diabetes, diagnostische Algorithmen. Einen solchen Wildwuchs im Angebot der allgemeinmedizinischen Praxen, wie ich ihn vor meinem Weggang in Deutschland erlebt habe, gibt es nicht. Als Einschränkung oder Gängelung empfinde ich unsere Vorgaben nicht. Die Leitlinienempfehlungen sind evidenzbasiert. Sie sind eine gute Hilfestellung für die Versorgung.

Wir haben zudem deutlich mehr Zeit für den einzelnen Patienten und für kollegiale Gespräche. Eine klare Pausenregelung ist gewollt und dient dem Arbeitsklima. Fortbildung ist ein Muss und Teil der Arbeitszeit.

Wenn man gern Allgemeinmedizinerin oder Allgemeinmediziner werden will und Arbeit und Familie unter einen Hut bringen, ist Schweden optimal. Die Weiterbildung ist sehr gut strukturiert. Sie wird für jeden Arzt genau durchgeplant, die einzelnen Einsatzorte werden zusammen mit dem Studiendirektor festgelegt, man kümmert sich. Jedem Arzt in Weiterbildung steht zudem ein Fortbildungsbudget zur Verfügung. Von diesem Geld kann er Kurse belegen, Kongresse besuchen oder anderes finanzieren, was ihm für seine Weiterbildung als sinnvoll erscheint. Der Arbeitgeber organisiert auch einige der obligatorischen Kurse selbst.

Ich habe die Weiterbildung hier durchlaufen und bilde nun selbst als Mentorin („Handledare“) junge Allgemeinmediziner aus. Ich plane mit ihnen und dem Studien­direktor die gesamte Zeit von sechs Jahren, so dass sie ein fertiges Konzept haben. Das lässt sich natürlich noch variieren, beispielsweise wenn ein Kind kommt und man in Elternzeit gehen möchte. Das ist übrigens auch phantastisch in Schweden: Man kann seine Weiterbildung absolvieren und trotzdem Kinder bekommen. Das ist in Deutschland immer noch viel schwerer möglich. Ich hätte gern mehr als zwei Kinder gehabt, aber dann wäre ich in Deutschland niemals Fachärztin geworden. Und noch etwas: Von einem Arztgehalt kann eine Familie hier prima leben.

Besser gefällt mir in Schweden auch die Arbeitszeitregelung. Auf meiner vollen Stelle arbeite ich 40 Stunden pro Woche. Wir machen recht wenige Überstunden, und die können wir dann in Rücksprache mit den Kollegen sehr flexibel ausgleichen. Vielleicht sollte ich noch die gesetzlich garantierten vier Wochen Sommerurlaub am Stück erwähnen.

Was die Versorgung der Patienten betrifft, gibt es in Schweden andererseits ähnliche Probleme wie in Deutschland. Wir haben hier weit weniger Ressourcen. Auf einen Routine-MRT-Termin wartet ein Patient schon mal drei bis vier Monate. Die ländlichen Regionen sind unterversorgt, weil viele junge Ärztinnen und Ärzte lieber in den größeren Städten arbeiten wollen. Es sind eher Familien und die Älteren, die aufs Land gehen, vor allem, weil sie die Nähe zur Natur schätzen. Wer aufs Land oder in weniger beliebte kleinere Städte geht, wird besser bezahlt und bekommt Zulagen.

DÄ: Unter welchen Umständen würden Sie nach Deutschland zurückkehren?
Berdux-Plaschke: Das kann ich mir im Moment kaum vorstellen. Ich fühle mich sehr wohl hier. Das hat auch damit zu tun, dass wir mit komplizierten Honorarabrechnungen überhaupt nichts zu tun haben. Das hat mich in Deutschland zunehmend gestört, bevor ich nach Schweden gezogen bin: diese ewigen Diskussionen um Zeit und Geld.

Rie

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung