5 Fragen an...

„Die betroffenen Frauen brauchen verlässliche Anlaufstellen“

  • Mittwoch, 30. Januar 2013

Köln – Die Vorfälle in zwei katholischen Krankenhäusern in Köln haben für Empörung gesorgt. Eine vergewaltigte Frau war dort abgewiesen worden. Begründung: Solche Untersuchungen seien untersagt, weil damit ein Beratungsgespräch über eine mögliche Schwangerschaft und das Verschreiben der „Pille danach“ verbunden seien.

Was war passiert? Die 25-jährige Frau war offenbar mit K.-o.-Tropfen betäubt worden und auf einer Parkbank zu sich gekommen. Sie ging in die kassenärztliche Notdienst­praxis Köln-Nord in Nippes. Die dortige Allgemeinärztin konnte eine Vergewaltigung nicht ausschließen und wollte eine gynäkologische Untersuchung zur Beweissicherung veran­lassen. Doch diese verweigerte man im benachbarten St.-Vinzenz-Hospital und in einem weiteren katholischen Krankenhaus.

Der Träger – die Stiftung der Cellitinnen zur heiligen Maria – hat sich mittlerweile entschuldigt. Allerdings räumte sie ein, dass in den Häusern keine Notfallkontrazeption ausgegeben wird. Ansonsten finde aber eine Versorgung statt, auch die Spuren­sicherung. Im besagten Fall sei es vermutlich zu einem Missverständnis zwischen Ärztin und gynäkologischer Abteilung gekommen.

Prof. Dr. med. Bettina Toth, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Gynäko­logie und Geburtshilfe, meint: Die Vorkommnisse in Köln sind nicht akzeptabel. Notfall­ambulanzen brauchen ein standardisiertes Vorgehen bei der Behandlung von Verge­waltigungsopfern.

Uploaded: 30.01.2013 17:23:30 by mis
Bettina Toth

5 Fragen an Bettina Toth, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe

DÄ: Ist die „Pille danach“ eine Abtreibungspille?
Toth: Nein. Es handelt sich um eine medikamentöse Ovulationshemmung. Sobald der Eisprung stattgefunden hat, findet keine Unterdrückung der Befruch­tung beziehungs­weise der Implantation statt. Es gibt derzeit keine Hinweise, dass die „Pille danach“ einen klinisch relevan­ten Einfluss auf das Endometrium hat, der eine Implantation beein­trächtigen könnte. Das gilt sowohl für Levonorgestrel als auch Ulipristalacetat.

DÄ: Viele katholische Krankenhäuser geben die „Pille danach“ nicht aus. Ist es einer Patientin zumutbar, nach einer Vergewaltigung mehrere Kliniken aufzusuchen?
Toth: Ich finde das nicht zumutbar. Es könnte sogar dazu führen, dass weniger Frauen derartige Vorfälle anzeigen. Denken Sie an ländliche Regionen, wo nur ein Krankenhaus am Ort ist. Jeder, der mit vergewaltigten Frauen gearbeitet hat, weiß: Das ist ein ganz schwerer Gang für die Betroffenen.

DÄ: Im konkreten Fall in Köln wurde der Frau nicht nur die „Pille danach“ verweigert, sondern auch die Untersuchung zur Beweissicherung. Wie bewerten sie das?
Toth: Ich denke, man muss jetzt sehen: Was können wir daraus lernen? Wir brauchen in Notfallambulanzen ein standardisiertes Vorgehen bei der Behandlung von Vergewaltigungsopfern – egal, ob katholisches Haus oder nicht. Dann kommt es auch nicht zu Missverständnissen, wie es hier möglicherweise passiert ist. Die betroffenen Frauen brauchen verlässliche Anlaufstellen.

DÄ: Wie wichtig ist eine gute Betreuung nach einer Vergewaltigung?
Toth: Sehr wichtig. Für die Betroffenen muss man sich wirklich Zeit nehmen und sie auch umfassend über weitergehende Beratungen und psychologische Betreuungen infor­mieren. Die Spurensicherung und die Dokumentation müssen gewissen Standards entsprechen, sonst hat sie vor Gericht keinen Bestand.   

DÄ: Wie stehen Sie dazu, die Rezeptpflicht für Levonorgestrel aufzuheben?
Toth: Auf den ersten Blick scheint es praktikabel, wenn man die „Pille danach“ einfach in der Apotheke kaufen kann. Wir dürfen aber nicht vergessen: Über die Verschreibung ist ein ärztlicher Kontakt mit den Frauen möglich. So kann überhaupt die Notwendigkeit der Pille überprüft werden. Das Präparat hat ja auch Nebenwirkungen.

Der Arzt sollte mit der Frau über die Themen Verhütung und Geschlechtskrankheiten sprechen. Entsprechende infektiologische Untersuchungen können erfolgen. Die Ärzte sind außerdem eine wichtige Anlaufstelle für Frauen, die gegen ihren Willen Geschlechts­verkehr hatten. Für die wäre es nicht gut, wenn sie einfach in die Apotheke gehen könnten.

BH

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung