„Die Kassen brauchen mehr Handlungsspielräume“
Berlin – Am 24. September ist Bundestagswahl. Das Deutsche Ärzteblatt hat die gesundheitspolitischen Sprecher der Parteien, Länderminister, Verbände und Ärzte aus der Patientenversorgung befragt, wie es mit der Gesundheitspolitik in der kommenden Legislatur weitergehen sollte.

Fünf Fragen an Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen
DÄ: Welches gesundheitspolitische Thema muss in der nächsten Legislaturperiode als erstes angegangen werden? Warum?
Ulrike Elsner: Erstens: Die Politik muss Nachteile für die Versicherten abbauen, die durch die Fehlsteuerungen im Morbi-RSA entstehen. Die AOKen erhalten mehr Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds, als sie eigentlich für die Versorgung ihrer Versicherten benötigen, die Ersatzkassen zu wenig. Diese Über- und Unterdeckungen wirken sich auf die Zusatzbeitragssätze, die ja nur von den Versicherten zu tragen sind, aus. Das ist nicht länger hinnehmbar.
Zweitens muss die solidarische Finanzierung in der GKV gestärkt werden. Auch wenn die GKV derzeit finanziell gut dasteht, die Ausgaben werden in den nächsten Jahren steigen. Es kann nicht sein, dass nur die Versicherten mit ihren Zusatzbeiträgen für die Kosten des medizinischen Fortschritts aufkommen. Die Ersatzkassen fordern daher die weitgehende Wiederherstellung der paritätischen Finanzierung zwischen Versicherten und Arbeitgebern.
Drittens müssen wir die gesundheitliche Versorgung zukunftssicher gestalten. Wir müssen Versorgungskonzepte für eine älter werdende Gesellschaft entwickeln und die starren Sektorengrenzen ambulant/stationär überwinden. Die Ersatzkassen haben am Beispiel der Notfallversorgung aufgezeigt, wie das gehen könnte. Bei diesen Prozessen bietet die Digitalisierung viele Chancen, um Qualitäts- und Effizienzverbesserungen zu erreichen und die Vernetzung der Sektoren zu befördern.
DÄ: Welche Partei beziehungsweise welches Parteienbündnis bietet aus Ihrer Sicht die besten Lösungen für die zukünftigen Probleme des Gesundheitssystems? Warum?
Elsner: Wichtig für uns ist, dass die grundsätzlichen Gestaltungsprinzipien der GKV erhalten bleiben. So sollte das Selbstverwaltungsprinzip in der GKV gestärkt und nicht durch staatliche Eingriffe geschwächt werden. Die Partner der gemeinsamen Selbstverwaltung – ärztliche Organisationen und Krankenkassen – haben unter Beweis gestellt, dass sie die Versorgung der Versicherten über Verträge versichertennah, innovativ und wirtschaftlich gestalten können. Hier stehen viele Herausforderungen an, wenn man an die Digitalisierung des Gesundheitswesens, an die demografischen Entwicklung und den medizinischen Fortschritt denkt.
DÄ: Welche aktuellen Positionen der Parteien gefährden die Versorgungsqualität im deutschen Gesundheitssystem?
Elsner: Positionen, die die Grundprinzipien der GKV infrage stellen, gefährden auch die Versorgung in der GKV. Zum Beispiel ist die Privatisierung des Gesundheitswesens für uns kein Lösungsweg. Wir wollen keine Verhältnisse wie in den USA, wo viele Menschen von der Gesundheitsversorgung ausgeschlossen sind. Wir wollen die GKV modernisieren und auf der Basis der bestehenden Strukturen weiterentwickeln. Der Wettbewerb in der GKV kann hier sehr gute Impulse für Innovationen, noch bessere Qualität und eine effektive Steuerung der Ressourcen geben, wenn er sich in dem skizzierten ordnungspolitischen Rahmen bewegt.
DÄ: Wie müssten die Rahmenbedingungen für die Krankenkassen verbessert werden?
Elsner: Der Morbi-RSA muss reformiert werden. Er ist innerhalb der GKV-Finanzierungssystematik nun mal die zentrale Stellschraube im Kassenwettbewerb. Darüber hinaus brauchen die Kassen im Wettbewerb für eine gute Versorgung der Versicherten mehr Handlungsspielräume, um mit Krankenhäusern und Ärzten über gute Qualität verhandeln zu können.
DÄ: Was wollen Sie für Ihre Mitglieder in der kommenden Legislaturperiode erreichen?
Elsner: Faire Wettbewerbsbedingungen für die Ersatzkassen, das ist mein wichtigstes Ziel. Sie sind schließlich die Basis für ein modernes Versorgungsangebot unserer Versicherten. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt neben den vielen hier skizzierten Aufgaben wird die Digitalisierung sein. Unsere Digitalisierungsstrategie beinhaltet, den rechtlichen Rahmen für die Nutzung digitaler Möglichkeiten zu schaffen, den Ausbau der Telematikinfrastruktur zügig voranzutreiben, aber auch unsere Mitgliedskassen in ihren Digitalisierungsprozessen zu unterstützen.
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