„Eine stufenweise Quotenregelung ist wichtig, um schneller die Partizipation von Frauen in Gremien voranzutreiben“
Berlin – Susanne Johna hat eine außergewöhnliche berufspolitische Karriere vorzuweisen. Die Fachärztin für Innere Medizin, die als Oberärztin am St.-Josefs-Hospital Rheingau arbeitet, wurde auf dem Deutschen Ärztetag 2016 in den Vorstand der Bundesärztekammer gewählt. Sie ist Mitglied des Präsidiums der Landesärztekammer Hessen und wurde im November 2016 in den Vorstand des Marburger Bundes (MB) gewählt.

Fünf Fragen an Susanne Johna.
DÄ: Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe, warum relativ wenige Frauen in berufspolitischen Gremien der Ärzteschaft aktiv sind?
Susanne Johna: Ein wichtiger Grund ist sicher, dass Frauen meist eine Doppelbelastung aus Beruf und Familie schultern. Das gilt für die jüngere Generation immer noch, wenn auch vielleicht etwas weniger ausgeprägt. Insofern fehlen Frauen schlicht auch zeitliche Freiräume. Manchmal fehlt es Ärztinnen aber auch an Mut und der Bereitschaft, sich selber mehr zuzutrauen. Man muss auch mal bereit sein, gegen einen männlichen Kandidaten zu kandidieren.
DÄ: Sind Sie bei Ihrem Weg in Ihre Ämter auf Hindernisse gestoßen?
Johna: Ich bin sehr aktiv unterstützt worden von einer ärztlichen Kollegin, von Ursula Stüwe, der ehemaligen Präsidentin der Ärztekammer Hessen. Aber ja, man stößt, gerade wenn es um höhere Ämter geht, auf den Fakt, dass Networking unter Männern besser funktioniert und auch zwischen den wenigen Frauen in einem Gremium gar nicht funktionieren kann, wenn es nur darum geht. Wenn es beispielsweise 15 Männer in einem Gremium gibt und nur drei Frauen, hat die weibliche Kandidatin keine Chance, wenn die Männer sie nicht wollen. Letztlich braucht man die Unterstützung von Männern – dagegen ist auch gar nichts einzuwenden. Es geht ja auch bei einer Kandidatur nicht um die Frage, Frau oder Mann. Ich habe es allerdings manchmal trotzdem erlebt, dass eine Wahl darauf reduziert wird – völlig unnötigerweise.
DÄ: Wie vereinbaren Sie die Gremienarbeit mit Ihrer Tätigkeit als Oberärztin und mit Ihrer Familie?
Johna: Wichtig ist, sich mit seinem Partner einig zu sein. Mein Mann ist Kardiologe und findet selbst ein berufspolitisches Engagement sehr wichtig, und wir haben dann gemeinsam entschieden, dass ich das mache. Es ist sicher auch eine Typus-Frage, ob man bereit ist, in der Öffentlichkeit die eigene Meinung zu vertreten.
Jetzt wo meine Kinder fast erwachsen sind, sie sind 1997 und 1999 geboren, habe ich natürlich etwas mehr Freiräume. Aber ich habe schon 2004 mein berufspolitisches Engagement ausgebaut, da waren die Kinder noch relativ klein. Da bin ich in die Delegiertenversammlung der Landesärztekammer Hessen gewählt worden. Mein Mann hat mich im möglichen Rahmen unterstützt, allerdings arbeitet er auch eher eine 50-Stunden-Woche. Wir haben dann geschaut, welche Tätigkeiten man auf externe Schultern verteilen kann. Dabei geht es dann um die Themen Haushaltshilfe und Kinderbetreuung, um dann die Zeit, die man mit der Familie hat, wirklich auch zu nutzen und nicht zu putzen und zu waschen.
DÄ: Was raten Sie jungen Ärztinnen, die an Berufspolitik interessiert sind, aber vielleicht noch ein wenig davor zurückschrecken, sich zu engagieren?
Johna: Im Vordergrund steht natürlich die Information über die Selbstverwaltung und damit auch über Gestaltungsmöglichkeiten. Wichtig sind sicher auch positive Beispiele. Ich hoffe, selbst für viele beispielhaft sein zu können. Es wird leider oft nur über Probleme in der Selbstverwaltung berichtet. Aber selbst, wenn man nur kleine Schritte vorankommt, kann man Ziele tatsächlich erreichen. Die gemeinsame Arbeit mit Kollegen finde ich auch persönlich sehr bereichernd. Wichtig ist, die positiven Aspekte des Engagements nach vorne zu stellen, und sich klar zu machen, dass dazu auch eine gute Organisation in anderen Bereichen gehört.
Ich persönlich bin, auch als die Kinder größer wurden, nicht wieder vollzeitig tätig geworden, weil für mich klar war, dass ich mich immer mehr in der Berufspolitik engagieren will. Dazu braucht man auch die zeitlichen Freiräume. Meine Arbeit in der Klinik als Oberärztin übe ich in Teilzeit aus. Ich bin überzeugt, dass man auch mit reduzierter Arbeitszeit Karriereschritte gehen kann. Es ist nicht mehr so wie vor 20 Jahren – allein schon aufgrund des Ärztemangels kann man heute auch mit einer Teilzeittätigkeit Karriere machen.
DÄ: Die Vorsitzende des Deutschen Ärztinnenbundes, Christiane Groß, war lange Zeit gegen eine Quote für Frauen, spricht sich nun aber dafür aus. Was halten Sie von einer Quotenregelung?
Johna: Ich habe einen ähnlichen Wandel durchgemacht. Ich bin mittlerweile auch der Überzeugung, dass wir nur mit einer stufenweisen Einführung einer Quotenregelung in einem absehbaren Zeitraum zu relevanten Veränderungen kommen. Wenn wir eine stufenweise Quotenregelung einführen, wird es überall in den Gremien die Notwendigkeit geben zu schauen, wo es Kolleginnen gibt, die sich engagieren und wie man diesen Frauen den Einstieg erleichtern kann.
Es ist natürlich inzwischen ein Grundverständnis dafür da, dass Frauen in der Berufspolitik vertreten sein sollten, und vielen Ärztinnen fällt der Einstieg in die Berufspolitik dadurch leichter. Aber eine konkrete Kandidatur gerade für wichtigere Ämter ist immer noch schwierig. Irgendwann wird sich alleine schon aufgrund der Verteilung in der berufstätigen Ärzteschaft etwas ändern, aber bis dahin ist es noch ein sehr langer Weg. Eine stufenweise Quotenregelung ist wichtig, um schneller die Partizipation von Frauen in Gremien voranzutreiben. Neben einer Gendergerechtigkeit gilt es auch, die Generationengerechtigkeit voranzutreiben.
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