„Ganz oben auf der Agenda muss die GOÄ-Novellierung stehen“
Berlin - Die Bundesärztekammer (BÄK) hat ein Positionspapier zur Bundestagswahl vorgelegt. Die Vorschläge gehen über das bisher schon bekannt gewordene Plädoyer für eine Fortentwicklung des bestehenden dualen Krankenversicherungssystems hinaus. BÄK-Präsident Frank Ulrich Montgomery erläutert im Interview Herausforderungen nach der nächsten Bundestagswahl.

5 Fragen an … Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer
DÄ: Welche gesundheitspolitischen Themen muss die nächste Bundesregierung vordringlich angehen?
Montgomery: Eine der Kernforderungen des jüngsten Deutschen Ärztetages war, dass Politik und Gesellschaft offen und ehrlich essenzielle Finanzierungsfragen für unser Gesundheitssystem diskutieren. Hierfür hat die Bundesärztekammer eine Reformskizze vorgelegt, in der die Ärzteschaft für eine Fortentwicklung des Krankenversicherungssystems auf Grundlage der Dualität von gesetzlicher und privater Krankenversicherung plädiert.
Ganz oben auf der politischen Agenda muss zudem die dringend notwendige Novellierung der ärztlichen Gebührenordnung (GOÄ) stehen. Wir fordern die Politik auf, die Novelle ohne weitere Verzögerungen auf Grundlage der von der Ärzteschaft geleisteten Vorarbeiten umzusetzen. Als Übergangslösung muss ein Inflationsausgleich geschaffen werden. Seit 1996 beträgt die Inflation in Deutschland 30,4 Prozent – der Punktwert in der GOÄ ist hingegen gleich geblieben. Er muss deshalb umgehend unter Berücksichtigung des Inflationsausgleichs angehoben werden.
Und wir brauchen eine nachhaltige Reform der Krankenhausfinanzierung, die unter anderem die volle Refinanzierung von Tariflohnsteigerungen beinhaltet. Zur finanziellen Entlastung der Krankenhäuser müssen auch die Bundesländer ihren Beitrag leisten. Sie müssen endlich in vollem Umfang ihren Investitionsverpflichtungen für den stationären Bereich nachkommen.
DÄ: Welche Herausforderungen kommen nach der Wahl vermutlich auf die ärztliche Selbstverwaltung zu?
Montgomery: Das hängt davon ab, welche gesundheitspolitische Richtung die neue Bundesregierung einschlägt. Ganz sicher wird uns der Mangel an Ärztinnen und Ärzten in Klinik und Praxis auch in Zukunft beschäftigen. Politik, Selbstverwaltung, aber auch die Akteure vor Ort müssen dafür Sorge tragen, dass die mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz eingeleiteten Maßnahmen zur Bekämpfung des Ärztemangels Wirkung erzeugen.
Klinikträger müssen für mehr familienfreundliche Arbeitszeitmodelle sorgen. Zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Arztberuf sind auch die Ärztekammern gefordert, die geltenden Weiterbildungsordnungen so zu handhaben, dass vermehrt Einzelfallentscheidungen möglich sind, die auch kürzere Abschnitte oder geringere Teilzeitanteile anerkennungsfähig machen.
Notwendig sind zudem bundesweit einheitliche Kriterien, nach denen besonders diejenigen Universitäten mit finanziellen Mitteln gefördert werden, die bei der Studienplatzvergabe objektivierbare Assessments durchführen. Unerlässlich ist auch eine angemessene Aufwandsentschädigung im praktischen Jahr.
DÄ: Welche gesundheitspolitische Entscheidung ging für Sie in der zurückliegenden Legislaturperiode in die falsche Richtung?
Montgomery: Grundsätzlich fällt die gesundheitspolitische Bilanz dieser Bundesregierung nicht schlecht aus. Mit dem GKV-Finanzierungsgesetz und dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz ist es der Koalition gelungen, Finanzsicherheit für eine ganze Legislaturperiode zu schaffen. Aber natürlich gab es auch Kritik. Wir haben der Politik Alternativvorschläge unterbreitet, zum Beispiel zum Notfallsanitätergesetz, zum Entwurf des Präventionsgesetzes und zur PID-Verordnung der Regierung.
DÄ: Wird sich das teilweise angespannte Verhältnis zwischen Ärzteschaft und Krankenkassen in den kommenden Jahren wieder verbessern?
Montgomery: Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt – auch deshalb, weil der grotesk aufgeblähte Spitzenverband der Krankenkassen mittlerweile von der Politik kritisch beäugt wird. Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr hat kürzlich in einem Interview beklagt, dass dieser Verband immer größer und mächtiger wird und an den Interessen der Patienten vorbei Politik macht. Dass der Minister dessen Machtfülle beschneiden will, begrüßen wir.
DÄ: Welches Anliegen der Ärzteschaft hat in der letzten Legislaturperiode zu wenig Beachtung gefunden und gehört rasch auf die politische Agenda?
Montgomery: Reformbaustellen gibt es viele. Zum Beispiel fordern wir ein Transplantationsregister, das die Datenströme in der Transplantationsmedizin zusammenführt und so zu mehr Transparenz, Verteilungsgerechtigkeit und Qualität beiträgt. Das Gendiagnostikgesetz mit seinen unsäglichen, überbordende Bürokratie erzeugenden Bestimmungen muss überarbeitet werden. Und wir brauchen angesichts völlig unklarer Regelungen in der Reproduktionsmedizin ein eigenständiges Fortpflanzungsmedizingesetz, in dem die rechtlichen Rahmenbedingungen festgelegt werden.
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