5 Fragen an...

„Medizin braucht Entscheidung, am besten im Team“

  • Donnerstag, 1. August 2024

Berlin – Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel. Was das für die künftige Medizin bedeutet und wo ganz konkrete Herausforderungen liegen, sagte die Vizepräsidentin der Bundesärztekammer (BÄK), Ellen Lunders­hausen, im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt.

Ellen Lundershausen /LÄK Thüringen
Ellen Lundershausen /LÄK Thüringen

5 Fragen an Ellen Lundershausen, Vizepräsidentin der Bundesärzte­kammer

Wie schätzen Sie die kommende Generation der Ärztinnen und Ärzte ein?
Diese Einschätzung ist nicht leicht abzugeben. Es stellt sich die Fra­ge, ob Ärztinnen und Ärzte einer Genera­tion anders einzuschätzen sind als ihre Zeitgenossen in anderen Berufen. Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren gewandelt.

Dazu hat nicht zuletzt auch die Coronapandemie beigetragen. Men­schen wollen heute kürzere Arbeitszeiten, strukturierteres Arbeiten und häufig auch Homeoffice. Letzteres ist in der Medizin schwieriger möglich. Die meisten Patientinnen und Patienten möchten ihren Arzt in Präsenz erleben.

Und dennoch werden in dieser jungen, heranwachsenden Ärztege­neration Künstliche Intelligenz und digitale Prozesse eine größere Rolle spielen als heute. Wichtig ist, dieser Generation Wege für Entscheidungsprozesse aufzuzeigen. Medizin braucht Entscheidung, am besten im Team.

Was hat dies für Folgen für die ärztliche Arbeit, was muss man ändern?
Obwohl bei sehr schwierigen Entscheidungen in Fragen von Diagnostik und insbesondere Therapie am Ende gegebenenfalls eine (Führungs-)Person entscheiden muss, benötigen wir Teamarbeit in allen Fachbereichen der Medizin. Das erwarten junge Menschen.

Und wenn ich auch in den seit Jahren sich wiederholenden Chor des Bürokratieabbaus einstimme, es muss Schluss sein mit überflüssiger Bürokratie, die mit jedem neuen Gesetz mehr wird.

Zudem müssen weitere Gesundheitsfachberufe eingebunden werden. Es muss wieder Spaß machen zu arbei­ten. Hilfreich wäre es, wenn man Ärztinnen und Ärzte ohne kommerziellen Druck einfach arbeiten ließe, so wie es unserem „tradierten“ Arztbild entspricht. Das erwarten auch Patientinnen und Patienten von uns.

Wie kann man junge Ärztinnen und Ärzte für die Arbeit in der Selbstverwaltung begeistern?
Wir müssen ihnen den Sinn der Selbstverwaltung im Kontext der Daseinsfürsorge vermitteln: das bedeutet den Einfluss der Selbstverwaltung auf politische Vorhaben. Sie müssen den politischen Willen der Akteure erkennen können, die Patientenversorgung in unserem Land verbessern zu wollen.

Die junge Generation von Ärztinnen und Ärzten wird sich nicht in Strukturen einbringen, die nicht effektiv sind. Das heißt wir haben Vorbildfunktion und da ist gelegentlich noch Luft nach oben.

Was kann man angesichts der genannten Rahmenbedingungen machen, um dem Ärztemangel zu begegnen?
Wenn die medizinische Versorgung der Zukunft positiv gestaltet werden soll, brauchen wir sicher mehr Stu­dien­plätze. Wissenschaftlicher Fortschritt und eine Gesellschaft des langen Lebens benötigen ärztliche Kom­petenz und auch bei Inanspruchnahme moderner Technologien Zeit für den Patienten, der Hilfestellung im Dschungel der Angebote braucht.

Teamarbeit mit allen Professionen im Gesundheitswesen kann und muss uns dabei unterstützen. Darüber hi­naus muss die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung gestärkt werden. Die Gesellschaft muss erkennen, dass künftig nicht alles machbar ist und zu jedem Zeitpunkt eingefordert werden kann, denn die Ressourcen sind knapp, sowohl materiell als auch personell.

Wären sogenannte Senior Experts hilfreich und was können diese leisten?
In einer Gesellschaft des langen Lebens, in der der Mensch unter Umständen gesund bis ins 8. Lebensjahr­zehnt ist, sollte man des Wissenspotenzial und die Erfahrungswerte von Senior Experts schätzen und nutzen. Immer unter der Voraussetzung, die Seniorinnen und Senioren das selbst wollen und die Bedingungen flexi­bel und unbürokratisch sind.

Sehr wichtig wäre es aber zudem, die emotionale Intelligenz der klugen jungen Ärztinnen zu nutzen, die wegen unzureichender Kinderbetreuungssituationen und auch moralischer gesellschaftlicher Vorbehalte nicht immer das in der Versorgung leisten können, was sie wollen.

mis

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung