Suizidpräventionsgesetz angemahnt

Leipzig – Möglichst bald muss ein umfassendes Suizidpräventionsgesetz verabschiedet werden. Darauf drängte heute mit überwältigender Mehrheit abermals der 129. Deutsche Ärztetag.
Beratung, Aufklärung, niedrigschwellige Hilfsangebote und die Förderung psychosozialer Unterstützungsstrukturen müssten bundesweit gewährleistet und finanziell absichert werden, erklärten heute 131 Delegierte, die für den Antrag bei nur fünf Gegenstimmen votierten. Dies müsse zeitlich vor oder zumindest gleichzeitig zu einer neuen Gesetzesinitiative zur Suizidhilfe geschehen.
Das Drängen der Ärzteschaft hat einen Grund: Eine nachhaltige und umfassende Stärkung der Suizidprävention ist längst überfällig. Ein Entwurf für ein Suizidpräventionsgesetz liegt nach mehreren Verzögerungen seit Ende letzten Jahres endlich vor.
Dieser konnte aber aufgrund des vorzeitigen Endes der Legislaturperiode nicht weiterverfolgt werden. „Vor diesem Hintergrund ist es von großer Bedeutung, dass die neue Regierung sich dieses wichtigen Themas zügig annimmt“, mahnte die Ärzteschaft erneut.
Ein Suizidpräventionsgesetz könne sicherstellen, dass Menschen in suizidalen Krisen qualifiziert beraten und informiert würden. Die Würde und Autonomie des Einzelnen verlangten nicht nur Respekt vor Entscheidungen zum Lebensende, sondern vor allem wirksame Angebote zur Lebenshilfe. „Eine Stärkung der Suizidprävention muss im gesetzgeberischen Handeln einer gesetzlichen Regelung der Suizidhilfe vorausgehen oder mindestens zeitgleich mit dieser erfolgen.“
Eine gesetzliche Regelung der Suizidhilfe ist aus Sicht des Deutschen Ärztetages aber ebenfalls geboten. Sie sei vor dem Hintergrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2020 erforderlich. Man müsse den derzeitigen ungeregelten Zustand beenden, der für Menschen mit Suizidgedanken ebenso problematisch sei wie für Ärztinnen und Ärzte. Besonderer Beachtung bedürften bei dieser neuen Gesetzgebung psychische Erkrankungen und psychosoziale Belastungen bei Menschen mit Suizidgedanken oder Todeswünschen.
Bei einer gesetzlichen Neuregelung der Suizidhilfe müsse man der Selbstbestimmung des Einzelnen gerecht werden und zugleich einer gesellschaftlichen Normalisierung des assistierten Suizids entgegenwirken, befanden die Delegierten. Zentrale Bedeutung komme dem Schutzkonzept zu, das vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich genannt werde. Es müsse sichergestellt werden, dass Menschen vor nicht freiverantwortlichen und übereilten Entscheidungen oder Missbrauch geschützt würden.
Gleichzeitig dürfe eine neue gesetzliche Regelung die Suizidhilfe nicht zu einem Bestandteil der ärztlichen Berufsausübung machen, betonte das Ärzteparlament. „Die Mitwirkung bei der Selbsttötung ist keine ärztliche Aufgabe“, betonte das Ärzteparlament.
„Ärztinnen und Ärzte sehen sich verpflichtet, das Leben zu erhalten, Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen sowie Leiden zu lindern und Sterbenden bis zum Tod beizustehen und dabei das Selbstbestimmungsrecht der Patienten zu achten.“ Sicherzustellen sei deshalb künftig, dass es eine freie und individuelle Entscheidung einer Ärztin oder eines Arztes in einem konkreten Einzelfall bleibe, Hilfe zur Selbsttötung zu leisten.
Jedoch sei es durchaus Aufgabe von Ärzten, Patienten mit Suizidgedanken oder Todeswünschen mit Empathie und Gesprächsbereitschaft zu begegnen. „Das vertrauensvolle Gespräch über den Wunsch des Patienten, zu sterben oder das eigene Leben zu beenden, gehört zum Kern der ärztlichen Tätigkeit, und zwar nicht nur im Rahmen der Begleitung kranker oder sterbender Menschen, sondern insbesondere auch bei suizidalen Gedanken außerhalb dieses Kontextes“, heißt es in dem Beschluss des 129. Deutschen Ärztetages.
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