Ärzte ohne Grenzen verurteilt Massenquarantäne im Lager Moria

Berlin/Moria – Die von der griechischen Regierung im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos verhängte Massenquarantäne ist Ärzte ohne Grenzen zufolge gefährlich und muss auf alle Fälle vermieden werden. Den Vorwand, die Massenquarantäne diene dazu, die Insel vor der Verbreitung des Coronavirus zu schützen, ließ die Hilfsorganisation nicht gelten.
Denn während die Zahl der COVID-19-Fälle auf Lesbos außerhalb von Moria steige, gebe es unter den Bewohnern des Lagers bislang lediglich einen bestätigten Fall.
„Wir können keine Rechtfertigung für die Massenzwangsquarantäne erkennen, und wir wissen, dass diese Maßnahme die psychischen Beschwerden unserer ohnehin schon sehr stark belasteten Patienten weiter verschlimmern wird“, erklärte Caroline Willemen, Einsatzleiterin von Ärzte ohne Grenzen für COVID-19 auf Lesbos.
Sie forderte die örtliche Regierung auf, das Infektionsrisiko im Lager stattdessen durch gezielte Nachverfolgung von Kontaktpersonen, Tests sowie einer Verbesserung der Hygienebedingungen und Gesundheitsversorgung zu reduzieren.
Marie von Manteuffel, Expertin von Ärzte ohne Grenzen für Flüchtlingspolitik, wirft der Bundesregierung zudem vor, für die „desaströsen Verhältnisse“ in Moria mitverantwortlich zu sein.
„Sie hat maßgeblich den EU-Türkei-Deal verhandelt, der für das Festsitzen der Schutzsuchenden verantwortlich ist, und hat aktuell die EU-Ratspräsidentschaft inne“, sagte sie. Umso wichtiger sei es, dass sich die Bundesrepublik auf EU-Ebene für einen besseren Schutz der Menschen in den Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln einsetze.
„In den EU-Hotspots müssen umgehend humanitäre Mindeststandards erfüllt werden – oder die Lager müssen komplett geräumt werden“, mahnte Manteuffel.
Aktuell sind im Lager Moria mehr als 200 Personen, die aufgrund ihres Alters und ihres Gesundheitszustands ernsthaft von COVID-19 bedroht. Ärzte ohne Grenzen fordert gemeinsam mit anderen Akteuren seit Monaten, sie in sichere Unterkünfte auf Lesbos, auf dem Festland oder in anderen EU-Staaten zu bringen.
Im April versprach die griechische Regierung eine solche Evakuierung, aber fünf Monate später sind diese Menschen laut Aussagen der Hilfsorganisation immer noch eingeschlossen.
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