Ausland

Ärzte warnen vor drohendem Herzstillstand des Kremlkritikers Nawalny

  • Montag, 19. April 2021
Außenaufnahme der Gefangenenkolonie IK-2, die sich unter den russischen Strafvollzugsanstalten durch ein besonders strenges Regime auszeichnet. Rund anderthalb Monate nach einem international heftig kritisierten Gerichtsurteil ist der Kremlkritiker Nawalny in das russische Straflager gebracht worden. /picture alliance, AP, Kirill Zarubin
Außenaufnahme der Gefangenenkolonie IK-2, die sich unter den russischen Strafvollzugsanstalten durch ein besonders strenges Regime auszeichnet. Rund anderthalb Monate nach einem international heftig kritisierten Gerichtsurteil ist der Kremlkritiker Nawalny in das russische Straflager gebracht worden. /picture alliance, AP, Kirill Zarubin

Moskau – Dem inhaftierten Kreml-Kritiker Alexej Nawalny droht laut Ärzten wegen seines sich ver­schlech­­ternden Gesundheitszustandes ein Herzstillstand. Nawalnys persönliche Ärztin Anastasia Wasi­ljewa und drei ihrer Kollegen, darunter ein Herzspezialist, forderten von den Gefängnisbehörden vor­gestern Zugang zu dem Inhaftierten.

Wegen kritischer Kaliumwerte drohten dem Widersacher von Präsident Wladimir Putin „jede Minute“ eine eingeschränkte Nierenfunktion sowie ernsthafte Herzrhythmusprobleme. US-Präsident Joe Biden zeigte sich vorgestern besorgt über die Berichte und kritisierte die Bedinungen für den 44-Jährigen.

Gewöhnlich erfordere ein Kaliumwert von mehr als 6,0 eine umgehende Behandlung, erklärten die Ärzte. Nawalnys Wert liege bei 7,1. Ihr Brief an die russische Gefängnisbehörde wurde vorgestern auf Wasilje­was Twitterkonto veröffentlicht. In dem an den Gefängnischef adressierten Schreiben hieß es weiter, dem 44-Jährigen drohe ein „Herzstillstand“.

Der Kardiologe Jaroslaw Aschichmin warnte beim Onlinedienst Facebook: „Unser Patient kann jede Mi­nu­te sterben.“ Er müsse auf eine Intensivstation verlegt werden. Die Nawalny-Vertraute Kira Jarmysch schrieb bei Facebook: „Alexej stirbt.“ Bei seiner Verfassung sei es „eine Frage von Tagen“.

Mehr als 70 international bekannte Autoren, Künstler und Akademiker, darunter Jude Law, Vanessa Redgrave und Benedict Cumberbatch, forderten Putin auf, eine angemessene medizinische Behandlung für Nawalny zu garantieren. US-Präsident Biden antwortete vorgestern auf eine Frage von Journalisten zu Nawalny: „Es ist völlig, völlig unfair, und total unangemessen“.

Der Grünen-Europapaabgeordnete Sergey Lagodinsky forderte die Bundesregierung und die EU auf, sich bei Putin für einen Transport Nawalnys in die EU einzusetzen. „Nawalny ist in unmittelbarer Lebens­ge­fahr“, sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND, Sonntagsausgaben). „Ihm zu helfen ist unsere menschliche Pflicht.“

Laut seiner Frau Julia Nawalnaja wiegt der 1,89 Meter große Kremlkritiker derzeit 76 Kilogramm – neun Kilogramm weniger als zu Beginn seines Hungerstreiks vor zwei Wochen und 17 Kilogramm weniger als vor seiner Verlegung ins Straflager in der Kleinstadt Pokrow im Februar.

Mit dem Hungerstreik will der 44-jährige Oppositionspolitiker erreichen, dass ihm eine angemessene medizinische Versorgung gewährt wird. Nawalnys Unterstützer fordern seine Verlegung in ein reguläres Krankenhaus. Ihren Angaben zufolge klagte er zuletzt über heftige Rückenschmerzen und Taubheits­gefühle in Armen und Beinen.

Im vergangenen August überlebte er einen Anschlag mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok. Nach dem Anschlag, für den Nawalny den Kreml verantwortlich macht, wurde er nach Deutschland geflogen und in der Berliner Charité behandelt.

Am vergangenen Freitag starteten die russischen Behörden ein Verfahren zum Verbot der Anti-Korrupti­onsstiftung Nawalnys. Dessen Unterstützer sammeln derzeit Onlineteilnehmer für den „größten Protest im modernen Russland“. Sobald sie 500.000 Anmeldungen erreichen, würden sie ein Datum für die Proteste festlegen, teilten die Organisatoren mit.

Bis vorgestern hatten sich 440.000 Menschen registriert. Bei landesweiten Solidaritätsdemos für den Oppositionellen waren im Januar und Februar mehr als 11.000 Menschen festgenommen worden.

afp

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