Belgien droht erneuter Lockdown

Brüssel – In Belgien drohen angesichts rasant steigender Ansteckungszahlen mit SARS-CoV-2 erneut drastische Einschränkungen. Im stark betroffenen französischsprachigen Landesteil und in der Hauptstadt Brüssel galt heute bereits ein „teilweiser Lockdown“, Flandern könnte nach einer Krisensitzung am Abend nachziehen. Auf nationaler Ebene war bislang versucht worden, allgemeine Lockdownmaßnahmen zu vermeiden – nun kommen sie offenbar doch.
Landesweit wurden in Belgien in den vergangenen sieben Tagen im Durchschnitt jeweils mehr als 13.000 neue Fälle festgestellt. In Europa verzeichnet relativ zur Einwohnerzahl derzeit nur Tschechien mehr Ansteckungen. Die Lage ist besonders schlimm in den fünf Provinzen der französischsprachigen Wallonie sowie in der Hauptstadtregion.
Besonders in der wallonischen Großstadt Lüttich nahe der deutschen Grenze bei Aachen haben die meisten Krankenhäuser ihre Kapazitätsgrenzen erreicht. Patienten mussten auf umliegende Provinzen und teilweise nach Deutschland verlegt werden.
Medizinisches Personal ohne Symptome wurde angewiesen, selbst bei positiven Coronabefunden weiterhin zur Arbeit zu kommen. Nach Angaben von Gewerkschaftern sind Dutzende Ärzte und Pfleger in den völlig überlasteten Kliniken der belgischen Provinz Lüttich trotz Infektion mit dem Coronavirus im Dienst.
„Wir müssen wählen zwischen einer schlechten und einer sehr schlechten Lösung“, sagte Philippe Devos vom belgischen Verband der medizinischen Gewerkschaften. Die sehr schlechte Lösung sei, Patienten gar nicht zu behandeln.
Momentan werden mehr als 5.000 Coronapatienten in belgischen Krankenhäusern behandelt, rund 800 davon liegen auf der Intensivstation. Unter den Intensivpatienten ist auch die Außenministerin und ehemalige Regierungschefin Sophie Wilmès.
Virologen hatten schon länger deutlich strengere Maßnahmen für das ganze Land gefordert. Die flämische Regionalregierung lehnte dies aber unter Verweis auf die bislang bessere Lage vor Ort ab. Landesweit gilt nun seit dieser Woche etwa eine nächtliche Ausgangssperre zwischen Mitternacht und 5 Uhr und das Arbeiten von zu Hause wird empfohlen. Restaurants und Bars sind schon länger dicht.
Brüssel und die Wallonie weiteten ihrerseits die Ausgangssperre auf zwischen 22 und 6 Uhr aus und schreiben Heimarbeit vor, wenn dies machbar ist. In der Hauptstadt und weiteren französischsprachigen Großstädten gilt eine allgemeine Maskenpflicht im öffentlichen Raum. Museen, Kirchen und Sportstätten mussten schließen. Französischsprachige Politiker sprachen von einem „teilweisen Lockdown“.
Die mit Abstand höchsten Zuwachsraten bei den Ansteckungen verzeichnen mittlerweile allerdings die flämischen Provinzen Ostflandern, Westflandern und Limburg. Experten gehen für den Norden von einer zeitversetzten ähnlichen Entwicklung wie im französischsprachigen Süden Belgiens aus.
In Flandern war deshalb für heute Abend eine Krisensitzung der Regionalregierung angesetzt. Die Flamen hatten es zuvor bereits bei Maßnahmen wie der Verlängerung der Herbstferien widerwillig den Wallonen gleich getan. Seit Beginn der Pandemie verzeichnet Belgien mit seinen elf Millionen Einwohnern rund 334.000 bestätigte Ansteckungen und fast 11.000 COVID-19-Tote.
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