Brüssel zieht mit millionenschwerem Fünf-Punkte-Plan in den Kampf gegen Mutationen

Brüssel – Nach heftiger Kritik am Impfstoffmangel in Europa ergreift EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen die Initiative im Kampf gegen die gefürchteten Varianten des Coronavirus. Ziel ist es, möglichst rasch angepasste Impfstoffe gegen die mutierten Viren in großen Mengen zur Verfügung zu haben.
Ihren Fünf-Punkte-Plan stellte sie heute in Brüssel gemeinsam mit EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides und Thierry Breton, EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, vor. Der Plan sieht die schnelle Entdeckung der mutierten Viren durch Genom-Sequenzierung, die rasche Anpassung der Coronaimpfstoffe an die Mutationen sowie die Gründung eines europäischen Netzwerks für klinische Tests vor.
Zudem sollen an neue Mutationen angepasste aber bereits zugelassene Impfstoffe nur noch einen verkürzten Zulassungprozess durchlaufen, auch Genehmigungsverfahren für neue oder umgewandelte Impfstofffabriken sollen schneller verlaufen und die Produktionsausweitung soll mit zusätzlichen Mitteln vorangetrieben werden.
Für das Programm namens „Hera Incubator“ wolle die Kommission unter anderem 150 Millionen Euro zur Erforschung der Virusvarianten zur Verfügung stellen. Weitere 75 Millionen Euro sollen helfen, die Genom-Sequenzierung in den EU-Staaten auszubauen, damit mindestens 5 Prozent der positiven Corona-Tests genauer auf Mutationen untersucht werden können.
In Europa hatten sich in den vergangenen Wochen vor allem neue Mutationen aus Großbritannien und Südafrika ausgebreitet, die ansteckender sind als das bisherige Coronavirus. In Deutschland liegt der Anteil der britischen Variante nach Angaben von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bereits bei mehr als 20 Prozent. Der Anteil der südafrikanischen Variante liegt demnach auf deutlich niedrigerem Niveau bei etwa eineinhalb Prozent.
Auch das Netzwerk für klinische Tests von Impfstoffen – genannt Vaccelerate – soll von der EU finanziell unterstützt werden. Zweck ist die Beschleunigung der Tests von Vakzinen gegen mutierte Coronaviren an Freiwilligen. Vernetzen sollen sich dafür EU-weit Wissenschaft, Industrie und Behörden. Die EU-Arzneimittelagentur EMA soll ebenfalls mitwirken.
Langfristig soll eine neue Behörde namens Hera (Health Emergency Response Authority) die EU gegen sogenannte biologische Gefahren wappnen. Das Programm ist eine Art Vorstufe – Incubator heißt auf Deutsch Brutkasten.
Von der Leyen war vor allem in Deutschland scharf kritisiert worden, weil die EU-Kommission für den Ankauf von Corona-Impfstoffen zuständig ist und die Mittel derzeit überall in der EU knapp sind. Die Kommissionschefin hat bereits Versäumnisse eingeräumt: Die EU sei bei der Zulassung der Vakzine spät dran gewesen, zu optimistisch in Bezug auf die Massenproduktion und zu sicher, dass Hersteller pünktlich liefern würden. Aus den Fehlern sollen nun Lehren für die nächste Etappe gezogen werden.
Beim Impfstoff könnte sich die Lage in einigen Wochen etwas entspannen. Am Dienstag teilte die EU-Arzneimittelbehörde EMA mit, dass auch der Hersteller Johnson & Johnson eine europäische Zulassung für sein Coronavakzin beantragt habe.
Über den Antrag soll bis Mitte März entschieden werden. Von dem Impfstoff hat die EU-Kommission Mengen für mindestens 200 Millionen Menschen geordert. Das Besondere ist, dass er voraussichtlich nur einmal gespritzt werden muss.
Auch zum russischen Impfstoff –Sputnik V“ äußerte sich von der Leyen. Obwohl Russland dies zuletzt mehrfach behauptet hatte, sei bisher kein Antrag auf Zulassung bei Europäischen Arzneimittelbehörde EMA eingegangen. Auch ein Rolling Review Verfahren gebe es bisher nicht. „Sollte ein Antrag eingereicht werden, muss der russische Impfstoff wie alle anderen Kandidaten auch durch den gesamten Zulassungsprozess“, so die Kommissionspräsidentin.
Da der Impfstoff zudem nicht in Europa hergestellt werde, gehöre dazu auch eine Inspektion der Produktionsstätten in Russland. „Wir sind überrascht, dass Russland Millionen von Impfstoffdosen anbietet, obwohl die eigenen Bevölkerung noch nicht ausreichend geimpft ist“, fügte von der Leyen hinzu.
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