EU-Rechnungshof: ECDC und EMA leisteten in Pandemie trotz einiger Unzulänglichkeiten gute Arbeit

Luxemburg – In der Coronapandemie haben die beiden medizinischen Agenturen der Europäischen Union (EU) aus Sicht des Europäischen Rechnungshofes trotz einiger Unzulänglichkeiten im Großen und Ganzen gute Arbeit geleistet.
Zu diesem Urteil kommt der Hof in einem heute veröffentlichten Sonderbericht über die Arbeit des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) in der Pandemie.
Die EU-Prüfer mahnen aber bei Aspekten wie beim Tempo der Veröffentlichung von Informationen und der Erhebung vergleichbarer Daten Verbesserungen an. Es handelt sich bei dem Bericht laut den Verfassern um die erste umfassende Bewertung der Leistung beider Agenturen in einer Gesundheitskrise.
Um bei Mängeln und Lücken Abhilfe zu schaffen, habe die EU in jüngster Zeit bereits Schritte unternommen, teilte der Europäische Rechnungshof heute dazu mit. Dennoch sei die EU „noch nicht umfassend auf die Bewältigung von Notlagen größeren Ausmaßes im Bereich der öffentlichen Gesundheit vorbereitet“.
„Der Hof stellte fest, dass die beiden Agenturen im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse und Kapazitäten im Allgemeinen gut auf die COVID-19-Krise reagierten“, heißt es im Bericht. Sie seien zwar nicht umfassend auf eine schwere und anhaltende Pandemie vorbereitet gewesen, hätten aber reagiert, sobald das Ausmaß deutlich geworden sei.
Laut Bericht verfügten die beiden Agenturen im Jahr 2020, als die Pandemie begann, über Haushaltsmittel in Höhe von 61 Millionen (ECDC) beziehungsweise 358 Millionen Euro (EMA). 2023 waren es demnach 90 beziehungsweise 458 Millionen Euro.
Lage anfangs unterschätzt
Zu den Kritikpunkten zählt beispielsweise der anfangs zögerliche Umgang des ECDC mit dem Ausbruch von SARS-CoV-2. „Nachdem China die ersten Fälle des neuen Coronavirus gemeldet hatte, unterschätzte das ECDC zunächst für einige Wochen den Ernst der Lage“, urteilen die Prüfer. Zu den Aufgaben des ECDC gehören das Bewerten von Gesundheitsrisiken und die Kommunikation darüber.
„Wie viele andere Einrichtungen auch wurden die medizinischen Agenturen der EU von der Wucht der sich rasch ausbreitenden Coronapandemie überrascht“, sagte João Leão, das für die Prüfung zuständige Mitglied des Rechnungshofs, laut einer Mitteilung. Nun müssten die aus der Pandemie gezogenen Lehren wirksam auf EU-Ebene umgesetzt werden, damit sich die Geschichte nicht wiederhole.
Im Prüfbericht wird auch moniert, dass beispielsweise Leitlinien zu wichtigen Themen wie Schutzmasken und Kontaktnachverfolgung nicht immer zeitnah verfügbar gewesen seien, so dass die Mitgliedstaaten teils bereits eigene Leitlinien mit voneinander abweichenden Empfehlungen herausgegeben hatten.
Nationale Entscheidungsträger seien den Empfehlungen des ECDC zudem nicht immer gefolgt, sie hätten beispielsweise entgegen des Rates des ECDC länger an Reisebeschränkungen festgehalten. Auch seien die vom ECDC erhobenen Daten zu den Mitgliedstaaten nicht immer vergleichbar gewesen, etwa wegen unterschiedlicher nationaler Teststrategien und Kriterien für coronabedingte Todesfälle.
Fortlaufende Überprüfung für EMA sehr ressourcenintensiv
Zur Arbeit der EMA wird festgehalten, dass die Bemühungen zur proaktiven Förderung umfassenderer klinischer Studien in der EU nicht sehr erfolgreich gewesen seien.
Der Agentur sei es zwar gelungen, die Auswirkungen der Pandemie auf die meisten ihrer anderen Tätigkeiten in Grenzen zu halten, aber es habe Verzögerungen bei den Inspektionen gegeben. Die eingeführten Krisenverfahren seien geeignet gewesen, die fortlaufende Überprüfung etwa der COVID-19-Impfstoffe aber sehr ressourcenintensiv.
An der Arbeit beider Agenturen kritisiert der Hof, dass ihre Mitteilungen für Laien nicht immer leicht zugänglich gewesen seien, zum Beispiel mit Informationen auf fachsprachlichem Englisch.
Das ECDC sah laut dem Bericht vor allem Angehörige der Gesundheitsberufe und politische Entscheidungsträger als wichtigste Zielgruppen, will sich laut seiner Kommunikationsstrategie für die Jahre 2022 bis 2027 aber ausdrücklich auch an die EU-Bürger wenden. Bei der EMA habe sich die Transparenz der Berichterstattung über COVID-19-Produkte während der Pandemie gebessert, hält der Hof fest.
Lücken in Notfallplänen
„Beide Agenturen hatten detaillierte Notfallpläne im Bereich der öffentlichen Gesundheit erstellt, die unverzüglich aktiviert wurden, doch gemäß dem geltenden Rechts- und Finanzrahmen wurde darin nicht auf eine Ausweitung der Kapazitäten im Falle einer schweren und anhaltenden Pandemie eingegangen“, heißt es im Bericht.
Der Notfallplan des ECDC etwa habe einige Lücken aufgewiesen, so dass es nicht flexibel genug gewesen sei. Personelle Kapazitäten, um Mitgliedsstaaten zu unterstützen, seien kaum vorhanden gewesen.
Als nützlich hätten sich die internationalen Netzwerke beider Agenturen erwiesen, konstatiert der Rechnungshof. Während die EMA eine Liste von Tätigkeiten erstellt hatte, die in Notsituationen nachrangig behandelt werden können, sei dies beim ECDC nicht der Fall gewesen.
Im Bericht wird dem ECDC zur besseren Vorbereitung auf gesundheitliche Notlagen empfohlen, die interne Organisation, Verfahren, Systeme und Veröffentlichungen weiter zu verbessern.
Konkret wird dazu geraten, weiter an einem robusten europäischen Überwachungssystem für Infektionskrankheiten zu arbeiten, um eine Erhebung vergleichbarer Daten zu ermöglichen. Interne Verfahren müssten gestrafft werden, um aktuellere und praktischere Leitlinien herauszugeben.
Zudem brauche es Informationen in klarer Sprache für die breite Öffentlichkeit. An die EMA wird unter anderem appelliert, die Verfahren und die Verbreitung von Informationen an Laien zu optimieren.
Weiter heißt es, sollte die EU-Kommission mit den beiden Agenturen die jeweiligen Zuständigkeiten der Europäischen Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (Health Emergency Preparedness and Response, HERA), des ECDC und der EMA klarstellen und die Koordinierung verbessern.
Die Generaldirektion HERA war 2021 eingerichtet worden – nach ersten aus der Pandemie gezogenen Lehren, wie es im Report heißt. Damit sollten Lücken in der operativen Struktur geschlossen werden, allerdings kommt es dem Bericht zufolge bisher teils zu Überschneidungen mit Mandaten des ECDC.
Die Prüfer erkennen auch an, dass die EMA noch erheblich vom Brexit betroffen gewesen sei und sich im Krisenmodus befand. Die Behörde war von London nach Amsterdam umgezogen, ein Teil des Personal hatte gekündigt oder die Freistellung beantragt. Der Krisenmodus, der auf das Aufrechterhalten des Betriebs ausgerichtet gewesen sei, sei bis zum Ende der Pandemie beibehalten worden.
Wie die Prüfer vorgingen
Im Kern ging es den Prüfern um die Maßnahmen, die beide Agenturen ergriffen. Sie sprachen dafür beispielsweise mit Mitarbeitenden von ECDC und EMA und sichteten öffentliche wie interne Dokumente. Zudem wurden Vertreter nationaler Gesundheitsbehörden und Arzneimittelagenturen befragt.
„Besonderes Augenmerk galt dem Verfahren der EMA zur Bewertung von COVID-19-Impfstoffen“, heißt es. Der Hof habe aber nicht bewertet, ob die EMA-Empfehlungen gerechtfertigt waren, „sondern nur, ob die EMA im Einklang mit den vereinbarten Regeln und Leitlinien eine gründliche Analyse vorgenommen hatte“.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: