Ausland

FDA erkennt reduzierten Alkoholkonsum als Therapieziel an

  • Donnerstag, 12. Juni 2025
/thatinchan, stock.adobe.com
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Mannheim – Die US-amerikanische Zulassungsbehörde für Arzneimittel und Medizinprodukte (FDA) erkennt eine relevante Verringerung der Trinkmenge bei alkoholabhängigen Menschen künftig als Behandlungsziel in Zulassungsstudien für neue Therapieansätze an. Das teilte das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim heute mit.

Große epidemiologische und klinische Studien konnten demnach die positive Wirksamkeit des reduzierten Alkoholkonsums nachweisen. Die wissenschaftlichen Daten zur Trinkmengenreduktion seien über mehr als fünf Jahre evaluiert und von der FDA nach einer unabhängigen Re-Analyse bestätigt worden. Experten versprechen sich hiervon neue Anreize für Therapiestudien zur Behandlung der Alkoholsucht.

Bei Alkoholabhängigen stehe das Gebot der Abstinenz als einziges Therapieziel einem schadenminimierenden Ansatz bisher im Wege, heißt es aus dem ZI. Im Gegensatz beispielsweise zur Methadon-Substitution für Heroinabhängige, die vor rund 50 Jahren eingeführt wurde. Diese medizinische Verordnung eines Suchtstoffs, um gesundheitliche und soziale Schäden zu verringern, sei ein enorm erfolgreicher Paradigmenwechsel in der Behandlung von Suchtpatienten gewesen.

Daher hat die Entscheidung der FDA laut Zentralinstitut für Seelische Gesundheit grundlegende Bedeutung. Sie erweitere die therapeutischen Optionen erheblich und stelle die Trinkmengenreduktion als gleichwertiges Therapieziel neben die Abstinenz. Damit würden frühere Ansätze der europäischen Zulassungsbehörde für Medizinprodukte (EMA) aufgegriffen. Dort sei eine Trinkmengenreduktion bereits anerkannt worden, allerdings nur als intermediäres (sekundäres) Therapieziel.

Die Entscheidung der FDA basiert nach Angaben des ZI auf der Re-Analyse von umfassenden Studiendaten, die von einer Arbeitsgruppe von US-Experten zusammengestellt wurden. Entgegen weit verbreiteter Überzeugungen sei danach eine signifikante Verringerung der Trinkmenge auch für Abhängige über mehrere Jahre möglich.

„Die Anerkennung durch die FDA wird dazu führen, dass die Schwelle zum Antritt einer Therapie deutlich gesenkt wird. Weltweit werden mehr Menschen den Weg in die Behandlung finden. So kommt die gesamte Breite der bewährten Sozio-, Psycho- und Pharmakotherapien besser zum Tragen“, sagte Karl Mann, emeritierter Lehrstuhlinhaber für Suchtforschung am ZI und Mitglied der Arbeitsgruppe.

Zudem sollten die verbesserten Erfolgschancen seiner Ansicht nach die pharmazeutische Industrie zu neuen Studien anregen, zum Beispiel um die Reduktion der Trinkmengen auch medikamentös zu unterstützen.

Mann hebt zudem den konkreten Nutzen des Ansatzes für die Betroffenen, ihr persönliches Umfeld und die Gesellschaft hervor: „Die Studiendaten zeigen, dass Betroffene mit reduziertem Konsum über klinisch signifikante Verbesserungen ihres Befindens und ihrer Leistungsfähigkeit berichten. Das Abhängigkeitsrisiko und die Gesundheitskosten gehen zurück, während sich die psychische Gesundheit und die Lebensqualität verbessern.“

In Deutschland sind nach ZI-Angaben rund zwei Millionen Menschen vom Alkohol abhängig: Derzeit sind 70 Prozent von ihnen Männer, allerdings holen die Frauen in den vergangenen Jahren sehr stark auf. Weitere zirka zwei Millionen Menschen erfüllten zwar nicht die Kriterien einer Abhängigkeit, konsumieren aber in eindeutig gesundheitsschädlichem Ausmaß. Etwa 70.000 Menschen sterben jährlich an den Auswirkungen der Sucht.

PB/idw

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