Gericht zu COVID-Impfstoff: EU-Kommission gab zu wenig Infos

Luxemburg – Die EU-Kommission von Ursula von der Leyen hat nach einem Urteil des Gerichts der Europäischen Union (ehemals Europäischer Gerichtshof Erster Instanz) mit der Geheimhaltung von Informationen zu milliardenschweren Coronaimpfstoffverträgen gegen EU-Recht verstoßen.
Besonders mit Blick auf mögliche Interessenkonflikte und Entschädigungsregeln für Impfstoffhersteller habe die Brüsseler Behörde nicht ausreichend Zugang zu Dokumenten gewährt, entschieden die Richter in Luxemburg. Das Urteil kann vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) angefochten werden.
Während der Pandemie hatte die EU-Kommission in den Jahren 2020 und 2021 im Namen der Mitgliedstaaten mit Pharmaunternehmen Verträge über Hunderte Millionen Dosen Impfstoff verhandelt und abgeschlossen.
Das Vorgehen stand immer wieder in der Kritik, weil die Verträge nur teilweise öffentlich gemacht wurden oder weil es Verzögerungen bei der Lieferung des Impfstoffs gab. Unter anderem die Europäische Staatsanwaltschaft ermittelt in dem Zusammenhang.
2021 beantragten EU-Abgeordnete und Privatpersonen, Zugang zu den Verträgen zu bekommen. Die EU-Kommission unter Leitung von der deutschen CDU-Politikerin von der Leyen gewährte diesen aber nur teilweise.
Daher klagten Parlamentarier und Privatpersonen und bekamen nun teilweise Recht. Das Urteil kommt einen Tag vor der Abstimmung im Europäischen Parlament über eine zweite Amtszeit von Ursula von der Leyen als Kommissionspräsidentin.
Das Gericht beanstandete, dass die EU-Kommission nicht ausreichend begründet habe, warum ein weitgehender Zugang zu den Klauseln über Entschädigungsregeln die geschäftlichen Interessen der Unternehmen beeinträchtigen würde. Die EU-Kommission habe zudem mit Verweis auf den Schutz der Privatsphäre von Personen den Zugang zu den Dokumenten verweigert.
Die Kläger hätten allerdings den besonderen Zweck des öffentlichen Interesses an der Veröffentlichung der Daten ordnungsgemäß nachgewiesen: Es lasse sich nämlich nur dann überprüfen, dass kein Interessenkonflikt bestehe, wenn die Namen und beruflichen Rollen der an den Verträgen beteiligten Personen vorliegen.
„Viele Punkte, die von einzelnen Europaabgeordneten und einer Gruppe von Impfstoffgegnern aus Frankreich juristisch angefochten wurden, sind nach Ansicht des Gerichts nicht zu beanstanden. Das Gericht stellte allerdings auch fest, dass die Kommission an einigen Stellen hätte besser erklären müssen, warum sie bestimmte Passagen geschwärzt hat“, sagte der gesundheitspolitische Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP Christdemokraten), Peter Liese.
Er betonte, die Impfstoffbeschaffung durch die Europäische Kommission sei unter dem Strich ein großer Erfolg gewesen. Es sei nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn verschiedene europäische Länder Impfstoff gehabt hätten, andere aber nicht. Er mahnte einen Blick zurück an. „Jeder, der das Verhalten der Europäischen Kommission heute kritisiert, sollte sich die Situation im Februar und März 2021 in Erinnerung rufen.“
In Israel, Großbritannien und den USA habe es bereits reichlich Impfstoff gegeben, während die Mengen für die Europäische Union noch sehr bescheiden gewesen seien. „Dass man in dieser Situation mit den Firmen spricht und auch auf einen Teil der Forderungen der Firmen eingeht, damit die europäische Bevölkerung schnell ausreichend Impfstoff bekommt, ist aus meiner Sicht nicht zu beanstanden“, so Liese.
Es sei gut, wenn die Juristen der Kommission das Urteil jetzt im Detail analysierten und daraus Konsequenzen ziehen würden. Aber „die Schlussfolgerung, dass die Kommission alles falsch gemacht hat, kann man schon beim ersten Blick auf das Urteil entkräften“, sagte er.
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