Ausland

„Gezielte Angriffe auf Krankenhäuser“: Syriendrama schockt EU-Gipfel

  • Freitag, 16. Dezember 2016
Uploaded: 16.12.2016 16:08:45 by maybaum
Brita Hagi Hasan, Bürgermeister von Ost-Aleppo /dpa

Brüssel – Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Russland und dem Iran schwerste Verge­hen im Kampf um die syrische Stadt Aleppo vorgeworfen. Sie sprach von „gezielten An­griffen auf Zivilpersonen (...), auf Krankenhäuser“ und nahm auch das Regime von Ba­schar al-Assad in die Pflicht. „Verstöße gegen das Völkerrecht“ müssten geahndet wer­den, verlangte sie gestern nach dem Brüsseler EU-Gipfel am späten Abend. Unter­des­sen zeichnet sich ab, dass die Evakuierungsmission in den weitgehend zerstörten Re­bellen­gebieten Ost-Aleppos noch Tage dauern könnte.

Laut der Leiterin der Mission des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Ma­ri­anne Gasser, wurden bis zum späten Donnerstagabend trotz Verzögerungen durch Schüsse etwa 3.000 Zivilisten und einige Verletzte aus der Stadt herausgebracht. Auch bei Dunkelheit lief die Mission demnach zunächst weiter, die Busse brachen erneut in die Rebellengebiete auf. Bis zuletzt sei nicht klar gewesen, ob die internationalen Helfer ihre Mission durchführen konnten. Mit tagelangen Verzögerungen bei der Evakuierung sei zu rechnen.

Die Organisation Ärzte ohne Grenzen erklärte heute, sie habe mit der medizi­ni­schen Hilfe für Verwundete und Kranke aus der syrischen Stadt Aleppo begonn­en. De­ren Gesund­heits­zustand sei nach fünf Monaten Belagerung schlecht, berichtete die Orga­nisation un­ter Berufung auf Mediziner.

Tausende Zivilisten warteten immer noch darauf, Ost-Aleppo zu verlassen. Heute hätten erneute Sicherheitsvorfälle dazu geführt, dass die Evakuierung gestoppt wurde. Busse mit Zivilisten seien in Al-Raschdin beschossen worden und mussten nach Ost-Aleppo zu­rückkehren, so Ärzte ohne Grenzen. 17 Kubikmeter Medikamente und medizinische Hilfs­güter seien an das Krankenhaus in dem Ort Akrabat in der Provinz Idlib geliefert worden.

Dort werde ein Großteil der Verwundeten aus Aleppo behandelt. Im wenige Kilometer ent­fernten Atma halte die Organisation 45 Tonnen medizinische Hilfsgüter sowie Nah­run­gsmittel und Dinge des täglichen Gebrauchs für 700 Familien bereit. Weitere Hilfs­gü­ter für 1.000 Familien würden nach Atma gebracht.

Das Drama um Aleppo überschattete den EU-Gipfel, bei dem unter anderem auch Be­schlüsse zur Steigerung der Verteidigungsausgaben und längere Sanktionen gegen Russ­land wegen der Ukrainekrise fielen. Während Merkel dem UN-Sicherheitsrat Versa­gen vorwarf, forderte Frankreichs Präsident François Hollande: „Die Zivil­bevöl­ke­rung muss Aleppo verlassen können, ohne um ihr Leben fürchten zu müssen. Es sind noch 50.000 eingeschlossen.“

Hollande machte auch deutlich, dass für ihn auch Sanktionen gegen Russland wegen dessen Rolle im Syrienkonflikt denkbar sind. Der Bürgermeister des umkämpften Ostteils der Stadt, Brita Hagi Hasan, warnte die Staats- und Regierungschefs vor den Folgen un­terlassener Hilfe für die eingeschlossenen Menschen: „Sie sind kurz davor, massakriert zu werden.“

Angesichts der Kriegsgräuel will die EU nach eigenem Bekunden alle verfügbaren diplo­matischen Kanäle nutzen, um die Not der Menschen zu lindern. „Uns ist das Leiden nicht egal“, sagte Ratspräsident Donald Tusk. Ziel seien humanitäre Korridore nach Ost-Alep­po, freier Zugang für Helfer und eine Evakuierung unter internationaler Aufsicht.

Tusk gestand allerdings ein, dass „wir nicht so effektiv sind, wie wir es gerne wären“. Er hatte den Bürgermeister von Ost-Aleppo zum Gipfel geladen, um „die Stimme der Men­schen von Aleppo zu hören, zumindest auf diese symbolische Weise“. Merkel nannte dessen Bericht sehr deprimierend.

dpa

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