Griechenland: Wintereinbruch erschwert Lage der Flüchtlinge

Athen – Tausende Flüchtlinge in den Aufnahmezentren der griechischen Inseln leiden unter dem Wintereinbruch. Erkältungskrankheiten und grippale Infekte nehmen zu, während die medizinische Versorgung nach wie vor unzureichend ist. Mitverantwortlich für die Misere ist nach Ansicht von Kritikern die griechische Regierung. Sie habe keine Vorsorge für den Winter getroffen und sei nicht darauf vorbereitet, die medizinische Versorgung der Flüchtlinge sicherzustellen.
Alarmierend ist die Situation zum Beispiel auf der Insel Lesbos. Dort reichen die verfügbaren Mittel nicht aus, um die gestrandeten Flüchtlingen angemessen und sicher unterzubringen sowie ärztlich zu betreuen. Über deren unzureichende Lebensbedingungen kam es gestern zum Streit zwischen dem Minister für Migration, Giannis Mousalas, und dem Bürgermeister von Lesbos, Spiros Galinos. Mousalas war auf die Insel gekommen, um sich ein Bild von der Lage der Flüchtlinge zu machen.
Weil es an Ärzten und Pflegepersonal mangelt, reichen die Kapazitäten im Regionalkrankenhaus „Bostanion“ nicht aus, um Einheimische und Flüchtlinge gleichermaßen zu versorgen. Das bestätigte die Herausgeberin der Regionalzeitung Dimokratis Mitilinis, Nika Skoufou, gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt.
Der Plan, einen Teil der frierenden Flüchtlinge aus dem Hotspot von Moria auf Lesbos auf einem Schiff der griechischen Kriegsmarine unterzubringen, scheint derweil ins Leere zu laufen. Im Lager von Moria leben rund 6.000 Flüchtlinge in ungeheizten Zelten. Für besonders schutzbedürftige Menschen wie Familien mit Kindern, schwangere Frauen sowie ältere und behinderte Menschen hat das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) auf Lesbos Hotelzimmer angemietet.
Hilfsorganisationen sorgen sich um die Gesundheit der Menschen, weil die griechischen Krankenhäuser nicht über die nötigen Mittel verfügen, eine so große Zahl an Flüchtlingen zu behandeln. Nach den Schneefällen der vergangenen Tage steigen die Temperaturen wieder und verwandeln die Camps auf den Inseln Samos, Lesbos und Chios in Schlammfelder. Angesichts der dramatischen Bilder von frierenden Flüchtlingen scheint die Regierung die Kontrolle über die Situation verloren zu haben. Noch ist jedoch niemand aufgrund der schlechten Lebensbedingungen ums Leben gekommen. Doch der Winter ist in Griechenland noch längst nicht vorbei.
Auch die Mediziner der Hilfsorganisation Ärzte der Welt sehen, wie die Schutzsuchenden unter den Folgen des Winters leiden. „Wir haben immer mehr Kinder und ältere Menschen mit Atemwegsinfektionen“, sagt Nikolaos Marinos, Koordinator der Organisation für Griechenland. „Für manche ist das lebensbedrohlich, weil die Kälte Asthmaanfälle oder schwere Lungenentzündungen mit Komplikationen hervorrufen kann.“ Allein die Zahl der Lungenentzündungen habe sich in den vergangenen beiden Monaten verdoppelt.
Florian Westphal, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland, macht den Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei für das Elend verantwortlich. „Wegen dieses Deals sitzen jetzt mehr als 15.000 Menschen in den doppelt überbelegten EU-Hotspots auf den griechischen Inseln in der Kälte fest.“ Seine Kollegin Sophie de Vries erlebt, wie sehr die Flüchtlinge und Migranten unter der monatelangen Warterei leiden, vor allem auch psychisch. „Die Bearbeitung der Anträge geht nur sehr langsam voran. Die Menschen verlieren die Hoffnung, Frust und Aggression steigen.“
Nicht nur auf den Inseln, auch in anderen Flüchtlingslagern des Landes sind die Zustände schlecht. Was bislang für diese Menschen getan wurde, sei bei weitem nicht genug, sagt François de Keersmaeker, Direktor von Ärzte der Welt in Deutschland. „Griechenland ist mitten in einer Wirtschaftskrise. Wir können von diesem Land nicht erwarten, allein mit dem Problem fertig zu werden, während andere europäische Länder keine Flüchtlinge aufnehmen.“ Ursprünglich war zwischen den EU-Staaten vereinbart worden, Griechenland im vergangenen Jahr 30.000 Flüchtlinge abzunehmen. Tatsächlich reisten nur 5.500 ab.
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