HIV: Präexpositionsprophylaxe in Europa nur in Frankreich Kassenleistung
Stockholm – Obwohl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) seit dem letzten Jahr für alle Personen mit hohem Infektionsrisiko empfiehlt und die europäische Kommission das Medikament Truvada im August zugelassen hat, ist die Behandlung bisher nur in Frankreich eine „Kassenleistung“, wie das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) in einem „Evidence Brief“ mitteilt.
In Frankreich können Ärzte das Medikament, eine Kombination der Wirkstoffe Tenofovir und Emtricitabin, zunächst für drei Jahre auf Kosten des öffentlichen Gesundheitswesens verordnen. Danach ist eine Verlängerung um weitere drei Jahre möglich. Bisher wurde das Mittel von 90 Kliniken an 1.077 Patienten verschrieben.
Die Zahl könnte jedoch höher sein, da möglicherweise nicht alle Kliniken die Verordnung gemeldet haben, schreiben die ECDC-Autoren. In Belgien, Italien und den Niederlanden laufen Versuche zur PrEP: In Belgien richtet sich das Angebot nur an Männer, die Sex mit Männern (MSM) haben, in den Niederlanden sind auch Transgender einbezogen. Italien prüft ausschließlich eine Verordnung an serodiskordante heterosexuelle Paare. Fünfzehn weitere Staaten in Europa und Zentralasien planen die versuchsweise Abgabe. Deutschland zählt laut ECDC-Informationen nicht dazu.
Eine Umfrage des „Hornet Gay Social Network“, einem Anbieter von Dating-Apps, die die ECDC als „nicht-repräsentativ“ einstuft, ergab, dass viele MSM bereits aus eigener Initiative mit einer PrEP begonnen haben. In Frankreich und Großbritannien liegt der Anteil bei über 20 Prozent, in Deutschland bei unter 5 Prozent. Außerhalb von Frankreich gaben die meisten MSM an, dass sie sich das Mittel über das Internet besorgen würden. Damit wird die PrEP zu einer Kostenfrage, und bei zwielichtigen Angeboten im Internet auch zu einer Qualitätsfrage.
Vier randomisierte Studien (iPREX, Partner PrEP, PROUD und ANRS-IPERGAY) haben in den letzten Jahren gezeigt, dass eine PrEP das HIV-Infektionsrisiko von Risiko-Personen deutlich senken kann. Zwei dieser Studien wurden in Europa durchgeführt: PROUD in Großbritannien und ANRS-IPERGAY in Frankreich. Die WHO und viele Experten sehen in der PrEP eine Chance, die HIV-Epidemie einzudämmen und die Zahl der Neuinfektionen deutlich zu senken. Ein Hemmnis sind die hohen Kosten, die in Deutschland 819 Euro pro Monat betragen.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: