Ausland

Mehr Darmkrebsfälle bei Jüngeren in Europa

  • Montag, 29. Januar 2024
/Rasi, stock.adobe.com
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Mailand – Nachdem sich der Trend in den USA bereits seit einigen Jahren abzeichnet, sind jetzt auch in Europa die Todesfälle an Darmkrebs bei jüngeren Erwachsenen angestiegen, denen noch keine Darmkrebs­früherkennung angeboten wird. Besonders ausgeprägt ist der Anstieg in Großbritannien. Für Deutschland ermittelt eine Studie in den Annals of Oncology (2024; DOI: 10.1016/j.annonc.2023.12.003) einen Anstieg bei Frauen.

Ein Team um Carlo La Vecchia an der Universität Mailand hat die Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und von Eurostat ausgewertet, die seit 1970 die jährlichen Todesfälle an Krebserkrankungen für die einzelnen Länder recherchieren. Die Entwicklung der letzten Jahre haben die Forscher auf das Jahr 2024 extrapoliert.

Für dieses Jahr prognostizieren die Forscher für die Europäische Union (EU) insgesamt 1,27 Millionen Todesfälle an Krebserkrankungen. Das ist zwar zahlenmäßig etwas mehr als 2018, als es 1,21 Millionen Krebstodesfälle gab. Der minimale Anstieg sei jedoch einzig darauf zurückzuführen, dass die Bevölkerung gewachsen und der Anteil älterer Menschen zugenommen hat, schreibt La Vecchia.

Die altersadjustierte Mortalitätsrate (ASR) der Krebstodesfälle ist in den letzten Jahren weiter gesunken: seit 2018 von 131,8 auf 123,2/100.000 bei Männern (-6,5 Prozent) und von 82,6 auf 79,0/100.000 (-4,3 Prozent) bei Frauen. Nach den Berechnungen von La Vecchia wurden in der EU seit 1988 etwa 6,2 Millionen Todesfälle vermieden.

Die günstigen Trends betreffen die meisten häufigen Krebsarten mit Ausnahme des Pankreaskarzinoms, dessen ASR seit 2018 bei Männern um 1,6 Prozent und bei Frauen um vier Prozent gestiegen ist. Bei Frauen hat auch die ASR am Lungenkrebs leicht um 0,3 Prozent zugenommen.

Der ungünstige Trend beim Pankreaskarzinom ist bekannt. Für die Erkrankung gibt es keine effektive Früher­kennung, und die 5-Jahres-Überlebensraten gehören zu den niedrigsten aller bösartigen Tumore. Dies zeigt sich darin, dass das Pankreaskarzinom in Europa nur für drei Prozent aller Krebserkrankungen aber für über sieben Prozent der Krebstodesfälle verantwortlich ist. Es ist mittlerweile die vierthäufigste Krebstodesursache nach Lungen-, Darm- und Prostatakrebs bei Männern und nach Lungen-, Brust- und Darmkrebs bei Frauen.

Beim Darmkrebs hat sich auf den ersten Blick der Rückgang der letzten Jahrzehnte fortgesetzt. Die ASR wird nach den Berechnungen von La Vecchia bei den Männern von 15,48/100.000 in 2018 auf 14,74/100.000 (-4,8 Prozent) und bei den Frauen von 8,88 auf 8,04/100.000 (-9,5 Prozent) sinken.

Europaweit gibt es beim Darmkrebs größere Unterschiede. In Polen liegt die ASR bei Männern bei 20,0 / 100.000 und bei Frauen bei 9,5/100.000. gegenüber 11,2/100.000 und 7,3/100.000 in Deutschland oder anderen westeuropäischen Ländern. Die Gründe vermutet La Vecchia in der späteren Diagnose (mangels Darmkrebsfrüherkennung) und in den schlechteren Behandlungsmöglichkeiten in Polen.

Der Rückgang der Darmkrebssterblichkeit war in der EU auf die höheren Altersgruppen beschränkt. In der Altersgruppe von 25 bis 49 Jahren haben sich die Zahlen in der EU von 2,86 auf 2,79/100.000 bei Männern und von 2,40 auf 2,20/100.000 bei Frauen nicht mehr wesentlich gebessert. In Großbritannien ist es in dieser Altersgruppe sogar zu einem deutlichen Anstieg der Darmkrebs-ASR von 3,71 auf 4,68/100.000 (+26,12 Prozent) bei Männern und von 3,30 auf 4,58/100.000 (+38,58 Prozent) bei Frauen gekommen.

Eine Zunahme von Darmkrebserkrankungen hat es der Analyse zufolge in der Altersgruppe von 25 bis 49 Jahren auch in Italien (+ 1,5 Prozent bei Männern und +2,6 Prozent bei Frauen) sowie bei Männern in Spanien (+5,5 Prozent) und in Polen (+5,9 Prozent) gegeben. In Deutschland gab es bei Frauen einen Anstieg um 7,2 Prozent.

Eine ähnliche Entwicklung in den USA hat die „United States Preventive Service Task Force“ (USPSTF) bewogen das Alter für den Beginn das Darmkrebsscreenings auf 45 Jahre zu senken. Die neueste Entwicklung macht nach Ansicht von La Vecchia auch in Europa eine Überarbeitung der Leitlinien notwendig.

Die Gründe für den Anstieg der Darmkrebserkrankungen und Todesfälle kann die Studie nicht ermitteln. Zu den Schlüsselfaktoren gehören nach Einschätzung von La Vecchia Übergewicht, Fettleibigkeit und damit verbundene Gesundheitszustände wie hoher Blutzuckerspiegel und Diabetes. Auch die Zunahme des Alkoholkonsums sowie eine Verringerung der körperlichen Aktivität könnten eine Rolle spielen.

rme

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