Ausland

Mpox: Sorge vor unzureichender Impfstoffversorgung für betroffene Länder

  • Dienstag, 27. August 2024
/picture alliance, EPA, CHRISTOPHE PETIT TESSON
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Köln/Kinshasa/Rotterdam – Angesichts der schnellen Ausbreitung von Mpox in mehreren afrikanischen Ländern hat ein Experte aus der Demokratischen Republik Kongo (DRK) die Sorge vor einer mangelnden Versorgung mit Impfstoffen geäußert.

Für den Kontinent würden zehn Millionen Impfdosen benötigt, in der Pipeline seien bisher aber erst 500.000, sagte Placide Mbala-Kingebeni von der University of Kinshasa heute in einem Online-Briefing.

Selbst bei diesen 500.000 Impfdosen sei unklar, wann sie zur Verfügung stehen könnten, betonte der dortige Leiter der Abteilung Epidemiologie und globale Gesundheit und Direktor des klinischen Forschungs­zent­rums am Nationalen Institut für biomedizinische Forschung.

Dabei sei die Ausbreitung der Krankheit, auch in weitere Länder, nur eine Frage der Zeit. Die Impfung sei das beste Werkzeug, das man habe, obwohl viele Fragen dazu noch offen seien.

Unsicherheiten rund um die Impfstoffe müssten beim Ausrollen der Impfung in Afrika kommuniziert werden, sagte Dimie Ogoina, Professor für Infektionserkrankungen von der Niger Delta University in Nigeria und Mit­glied des International Health Regulations Committee der Weltgesundheitsorganisation bezüglich des aktuellen Mpox-Ausbruchs.

Bisher seien beispielsweise die Dauer des Impfschutzes und die Impfeffektivität bei der neuen Klade Ib nicht bekannt, zur Sicherheit der Impfung bei Kindern liefen noch Studien. Eine risikobasierte Impfstrategie biete sich daher an.

Einer Impfstrategie müssten zudem Informationen über die Transmissionsdynamiken und Risikofaktoren des Ausbruchs zugrundeliegen, betonte Ogoina. Er sei aber nicht sicher, ob man diese bereits vollständig verstehe.

Als mögliche Optionen nannte Mbala-Kingebeni angesichts der Impfstoffknappheit die Impfung von Risikogrup­pen wie Sexarbeitern, aber auch Ringimpfungen, also die Impfung der Kontaktpersonen eines Infizierten. Der­zeit denke man, dass man sich zunächst auf Hotspots und dann auf besondere Risikogruppen konzentrieren werde.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte wegen der aktuellen Mpox-Ausbrüche in Afrika und der neuen, womöglich gefährlicheren Klade Ib vor zwei Wochen die höchste Alarmstufe ausgerufen. Tim Nguyen von der WHO sagte kürzlich, es stünden 500.000 Dosen vom MVA-BN-Impfstoff zum Kauf bereit. Unter anderem Deutschland kündigte zudem Impfstoffspenden an. Das Deutsche Ärzteblatt berichtete. Heute Nachmittag teilte zudem Spanien mit, dass 20 Prozent des eigenen Mpox-Impfstoffvorrates gespendet würden. Es geht demnach um 100.000 Ampullen, die 500.000 Dosen entsprechen sollen.

Viele Fragen rund um neue Variante offen

Nach Angaben der Leiterin des Instituts für Virusforschung an der Erasmus-Universität in Rotterdam, Marion Koopmans, sind nach wie vor viele Fragen in Bezug auf die Klade Ib nicht geklärt. Das gelte sowohl für die Übertragbarkeit des Erregers als auch für die Schwere dieser Erkrankungen.

Wie gut ein Virus übertragbar sei, hänge immer auch davon ab, wo es auftauche: Wenn es ein Spillover-Event aus dem Tierreich in einem entlegenen Dorf gebe, sei die Startsituation für das Virus ganz anders, als wenn es zum Beispiel in einer dicht besiedelten Region mit sexuellen Netzwerken auftrete.

Hinzu kommt, dass nicht allein Mpox-Infektionen eine Herausforderung darstellen, wie Ogoina klar machte. Auch Ko-Infektionen mit Windpocken, Masern, Malaria und anderen endemischen Infektionskrankheiten müssten mit bedacht werden. Die Erfahrung zeige, dass etwa bei Ko-Infektion mit Windpocken oder HIV die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Mpox-Krankheitsverlauf und Tod steige.

„Wir müssen den Einfluss von Ko-Infektionen besser untersuchen“, forderte Ogoina. Er verwies außerdem auf das Risiko einer Verwechslung von Windpocken und Mpox, wenn keine Labordiagnostik gemacht wird. Hinzu kommen nach Angaben der Fachleute auch noch Faktoren wie Mangelernährung.

Verschiedenen Stigmata, die mit Mpox behaftet seien, müssten nun ebenfalls adressiert werden, sagte Mbala-Kingebeni. Mit der Krankheit würden lokal sowohl der Verdacht der Homosexualität als auch der mutmaßliche Verzehr von toten Tieren aus dem Wald in Verbindung gebracht.

Erleichterung lokaler Impfstoffproduktion hat für Expertin gerade nicht höchste Priorität

Angesichts von Forderungen, die auf das Ermöglichen einer Produktion preisgünstigerer Impfstoffe in Afrika abzielen, sagte Koopmans, dass dies keine Lösung für die kurzfristigen Bedarfe sei. Die drängenden Fragen seien jetzt vielmehr, wer Impfstoffe habe und wo sie sinnvoll eingesetzt werden könnten. Hinzu kämen die damit zusammenhängenden Logistikfragen.

So wichtig die Unterstützung von Ländern außerhalb Afrikas auch sei, in der Hauptverantwortung sieht Ogoina aber die betroffenen Länder selbst. Man sei man im Blindflug unterwegs, wenn etwa wie in der DRK nur weni­ger als 40 Prozent der Fälle im Labor getestet würden, kritisierte er. Er gehe von einer starken Untererfassung aus, weil die Gesundheitssysteme nicht in der Lage seien, Fälle zu erkennen. Es brauche beispielsweise Inves­titionen in Überwachung und Prävention.

Für Ogoina ist die aktuelle Situation einer jahrzehntelangen Vernachlässigung der Erkrankung und fehlenden Investitionen geschuldet, wie er sagte. Es fehlten Kapazitäten, um Ausbrüche einzudämmen. Hinzu komme, dass die Bevölkerung Afrikas relativ jung sei und nicht mehr vom Schutz durch die Pockenimpfung profitiere.

Ein weiterer Faktor sei die neue, offenbar deutlich leichter von Mensch zu Mensch übertragbare Virusvariante Ib, die sich nun im Osten der DRK ausbreite – und damit im Unterschied zur bisher bekannten Klade I in einer Re­gion, die nicht dicht bewaldet sei und wo es somit deutlich seltener zum Konsum von sogenanntem „Bush Meat“ komme, wie Mbala-Kingebeni erläuterte. Durch den Verzehr toter Wildtiere waren Erreger der Klade I bislang sporadisch auf den Menschen übergesprungen. Mittlerweile seien sexuelle Übertragungen sehr bedeutsam.

In der Konfliktregion im Osten der DRK sind bei Flüchtlingen und Vertriebenen inzwischen Dutzende mögliche Mpox-Fälle aufgetaucht. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR ist tief besorgt, weil es schwierig ist, die Betrof­fe­nen zu erreichen.

Zudem sei es in den beengten Verhältnissen, in denen viele Menschen leben, schwierig, physisch Abstand von­einander zu halten, um eine Ausbreitung der Viren zu verhindern. Der UNHCR-Gesundheitsbeauftragte Allen Maina sprach von gut 40 Verdachtsfällen. In der Region halten sich hunderttausende Flüchtlinge und Vertrie­bene auf.

Mpox (früher Affenpocken genannt) wird durch engen Körperkontakt übertragen und kann Hautausschlag und Fieber auslösen. Nach Angaben der WHO sind die Vertriebenen und Flüchtlinge besonders anfällig für die Erkrankung.

Viele würden wegen der Konflikte in der Region immer wieder vertrieben, hätten kaum ausreichend Essen und bekämen selten ärztliche Versorgung. Sie seien deshalb grundsätzlich geschwächt und würden generell bei Infektionen kränker als gut ernährte und gesunde Menschen.

Die WHO hat Mpox zu einer gesundheitlichen Notlage internationaler Reichweite deklariert. Sie schließt eine Ausbreitung über die afrikanischen Länder hinaus nicht aus und fordert alle Länder auf, wachsam zu sein.

gie/ggr/dpa

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