Niederlande: „Verfahrensfehler“ bei In-vitro-Fertilisation

Utrecht – In einer niederländischen Klinik sind möglicherweise 26 Frauen irrtümlich mit Sperma befruchtet worden, das nicht für sie bestimmt gewesen ist. Das Labor habe einen „Verfahrensfehler“ gemacht, bestätigte das Universitätskrankenhaus Utrecht heute. „Es besteht die Möglichkeit, dass Eizellen mit Sperma befruchtet wurden, das nicht von dem beabsichtigten Vater stammt“, hieß es in einer Erklärung. Die Klinik untersucht nun, ob eine der Frauen tatsächlich von einem verkehrten Mann schwanger wurde. Die Wahrscheinlichkeit, dass falsches Sperma verwendet wurde, sei gering, könne aber „nicht ausgeschlossen“ werden, betonte die Universitätsklinik.
Der Fehler trat bei der intracytoplasmatische Spermainjektion (ICSI) auf. Offenbar hatte das Labor der Klinik von April 2015 bis November 2016 eine Pipette benutzt, in der sich noch Reste von Samenzellen eines anderen Mannes befanden. Ein Labormitarbeiter hatte dies im November dieses Jahres entdeckt. Daraufhin seien die Behandlungen sofort gestoppt worden, teilte das Krankenhaus mit. Wie es zu dem Fehler kommen konnte, ist unklar. Die Gesundheitsbehörden wurden informiert.
Inzwischen sind laut Klinikum neun Kinder geboren und vier Frauen noch schwanger. Von dem Verfahrensfehler sind den Angaben zufolge auch eingefrorene Embryos betroffen, die vorerst nicht verpflanzt würden. Die Paare seien informiert worden. Mit ihnen würden so schnell wie möglich Termine für weitere Untersuchungen, etwa DNA-Tests, vereinbart. Dutzende beunruhigte Paare hatten sich gestern bei der Klinik gemeldet. Viele hätten Fragen über ihre Behandlungen und mögliche Folgen, sagte ein Kliniksprecher. Von dem Fehler sind Paare aus vier Kliniken betroffen. Das IVF-Labor des Universitätskrankenhauses ist zuständig für Fruchtbarkeitsbehandlungen in der Region um Utrecht.
Der Interessensverband von Menschen mit Fruchtbarkeitsproblemen, Freya, reagierte geschockt. Die Regeln bei der künstlichen Befruchtung seien sehr streng, sagte eine Sprecherin. „Wir betrachten dies als einen einmaligen Vorfall.“ Doch für die betroffenen Paare sei die Unsicherheit entsetzlich. „So einen Anruf will man vom Krankenhaus nicht bekommen.“
Verwechslungen des Spermas sind bei der IVF selten, aber sie kommen vor. In Singapur wurde 2012 ein Fall bekannt, in dem eine Frau irrtümlich mit Sperma befruchtet wurde, das nicht von ihrem Mann stammte. Die chinesischstämmige Frau hatte eine Klinik wegen Fahrlässigkeit verklagt, nachdem sie an ihrem 2010 geborenen Baby einen auffallend dunklen Hautton festgestellt hatte.
Seit der Zeugung des weltweit ersten Retortenbabys 1978 können Ärzte Eizellen außerhalb des Körpers befruchten. Am häufigsten wird die Intra-Cytoplasmatische Sperma-Injektion (ICSI) genutzt. Sie kommt bei Fruchtbarkeitsproblemen des Mannes zum Einsatz. In Deutschland sind nach Expertenschätzungen etwa sechs Millionen Frauen und Männer ungewollt kinderlos. 2014 gab es knapp 88.000 Behandlungen zur künstlichen Befruchtung.
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