Ausland

Oberstes US-Gericht will in Bayers Glyphosat-Fall Rat von Regierung

  • Dienstag, 14. Dezember 2021
picture alliance, Geisler-Fotopress, Christoph Hardt
picture alliance, Geisler-Fotopress, Christoph Hardt

Washington/Leverkusen – Der Chemiekonzern Bayer kann sich im Glyphosat-Streit Hoffnung machen, dass das oberste US-Gericht einen wegweisenden Fall zur Überprüfung annehmen wird. Wie aus einem gestern veröffentlichten Gerichtsdokument hervorgeht, will der US Supreme Court die Meinung der US-Regierung zu dem Fall einholen.

Das zeigt, dass die Richter den Fall für interessant halten. Sollten sie ihn zur Verhandlung annehmen, hätte ihr Urteil Signalwirkung. Von einem möglichen Sieg versprechen sich die Leverkusener, die Streitig­keiten um angebliche Krebsrisiken glyphosathaltiger Unkrautvernichter im Grunde beenden zu können.

Die Bayer-Aktie stieg auf die Nachricht hin an. Einige Anleger hatten befürchtet, dass die Richter den Fall direkt ablehnen. Konkret geht es um den Fall des Klägers Edwin Hardeman, der Glyphosat für seine Krebs­er­krankung verantwortlich macht und dem letztendlich insgesamt gut 25 Millionen Dollar Scha­den­ersatz zugesprochen worden waren.

In dem Antrag an den Supreme Court hatte Bayer mit der sogenannten Federal Preemption argumentiert. Der Konzern vertritt demzufolge die Ansicht, Schadenersatzansprüche wegen angeblich fehlerhafter War­nungen vor Krebsrisiken könnten nach einzelstaatlichem Recht nicht bestehen, wenn sie mit Bundes­recht kollidieren.

Denn die verantwortliche Bundesbehörde habe eine solche Warnung verboten. Zudem ist der Dax-Kon­zern der Meinung, die Zulassung von Experten als Zeugen der Klägerseite habe nicht den bundesrecht­lichen Standards entsprochen.

In der Supreme-Court-Entscheidung von gestern wird nun der sogenannte Solicitor General eingeladen, die Meinung der US-Regierung zu dem Fall darzulegen. Der Solicitor General bekleidet einen der Top-Posten im US-Justizministerium. Er ist so etwas wie der oberste Anwalt der USA und vertritt die Regie­rung unter anderem vor dem obersten US-Gericht.

Bayer teilte nach der Entscheidung mit, sich in der eigenen Position gestärkt zu sehen. Sollte alles ent­sprechend der üblichen Zeitpläne laufen, dürften die Richter nun bis Ende Juni entscheiden, ob sie den Fall zulassen. Trotz der für Bayer positiven Signale der Richter, die Interesse zeigen, geht die Hängepartie nun erst einmal weiter.

Bayer hatte sich die teuren Rechtskonflikte rund um Roundup 2018 mit dem mehr als 60 Milliarden Dollar teuren Kauf des US-Saatgutriesen Monsanto ins Haus geholt. Nach einer ersten Gerichtsschlappe im Sommer 2018 war die Zahl der Kläger rasant gestiegen. Der Bayer-Aktienkurs hat sich seither in etwa halbiert.

2020 schnürte Bayer dann mit Anwälten der Gegenseite ein Vergleichspaket. Rund elf Milliarden Dollar hatte der Konzern dafür im Jahr 2020 zurückgelegt, für aktuelle und künftige Fälle. Viele Klagen sind mittlerweile auch beigelegt.

Im jüngsten Geschäftsbericht zum dritten Quartal 2021 schrieb Bayer: „Von den im Geschäftsbericht ge­nannten circa 125.000 Fällen handelt es sich um etwa 98.000 Fälle, einschließlich derjenigen, die nicht die Vergleichskriterien erfüllen.“ Die Zahlen beziehen sich auf den Stichtag 22. Oktober. Dabei betont Bayer weiterhin die Sicherheit von Glyphosat bei sachgemäßer Anwendung.

Allerdings hatte sich Bayer zuletzt nur noch vereinzelt auf Vergleichsgespräche in konkreten Fällen ein­gelassen. Der Konzern wollte zunächst die Entscheidung des Supreme Court abwarten. Nun wird Bayer noch restriktiver.

„Da das Gericht jetzt die Stellungnahme der US-Regierung angefragt hat, werden wir ganz auf Ver­gleichsverhandlungen mit solchen Klägeranwälten verzichten, die eine erhebliche Anzahl an Forde­rungen vertreten“, teilte Bayer gestern Nachmittag in einer Stellungnahme mit.

Offen war bis zuletzt allerdings der Umgang mit künftigen Fällen, also von Menschen, die noch nicht an Krebs erkrankt sind, später aber Glyphosat für ihre Erkrankung verantwortlich machen werden. Der
Grund: der zuständige Richter an einem Bundesgericht war mit Vereinbarungen zwischen Bayer und den Anwälten der Gegenseite nicht zufrieden.

Letztendlich entschied die Bayer-Führung um Konzernchef Werner Baumann dann im Frühjahr 2021, einen anderen Weg im Umgang mit künftigen Fällen zu gehen. Ein Teil des Plans ist die Revision des Hardeman-Falls durch den Supreme Court.

Für den Fall, dass der Supreme Court sich mit dem Glyphosat-Verfahren nicht befassen will oder letztlich gegen Bayer entscheidet, hatte der Konzern im Sommer Rückstellungen von 4,5 Milliarden US-Dollar gebildet. Mit dem Geld würde dann ein Programm aufgesetzt, um in den kommenden 15 Jahren mit den Forderungen neuer Kläger umzugehen.

dpa

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