Olympia: Kritik an mangelnder Transparenz zu Wasserqualität der Seine

Paris – In der Debatte über die Wasserqualität des Flusses Seine während der Olympischen Spiele in Paris nimmt die Kritik an den Verantwortlichen zu. Es geht vor allem um mangelnde Transparenz der Messwerte. Mehrere Schwimmerinnen und Schwimmer sollen Medienberichten zufolge erkrankt sein, bisher ist aber kein Bezug zu den Wettkämpfen in der Seine bestätigt.
Das französische Onlineportal Mediapart veröffentlichte am vergangenen Mittwochabend angebliche offizielle Daten (hinter Bezahlschranke) von Proben aus der Seine, die nach Angaben des Mediums eine größtenteils nicht ausreichende Wasserqualität seit dem Start der Olympischen Spiele zeigen.
Nur am 30. und 31. Juli seien die Werte im Rahmen gewesen, wobei zunächst Messwerte bis zum 5. August vorgelegen hätten. Angelegt worden seien Standards des Verbandes World Triathlon, schreibt Mediapart. Würden die Maßstäbe angesetzt, die für die breite Öffentlichkeit gelten würden, wäre die Seine demnach noch weniger zum Schwimmen geeignet gewesen.
Im Fokus stehen insbesondere die Konzentrationen zweier Bakterien im Wasser: Escherichia coli (E. coli) und Intestinale Enterokokken. Diese gelten als Indikatoren für mit Fäkalien belastete Gewässer. Beprobt wird die Seine an mehreren Stellen.
Der internationale Wassersportverband World Aquatics etwa hält in einem Handbuch fest, dass die Wasserqualität von Flüssen bei E.coli-Werten von mehr als 1.000 koloniebildenden Einheiten pro 100 Milliliter und bei Enterokokken von mehr als 400/100 ml inakzeptabel sei. Den von Mediapart veröffentlichten Daten zufolge gab es an einzelnen Tagen Spitzenwerte bei den E.coli-Werten von deutlich über 2400, bei Enterokokken von mehr als 1.400.
Proben auf die Darmbakterien sind dem Verband zufolge aber nur ein Faktor bei Wasserqualitätskontrolllen. Auch eher subjektive Indikatoren wie das Aussehen des Wassers – etwa Farbe, Müll, Algenblüte – und der Wetterbericht werden berücksichtigt.
Eine Anfrage des Deutschen Ärzteblattes bei Paris 2024 zu dem Medienbericht blieb zunächst unbeantwortet. Mediapart berichtet, die Stadt Paris habe nicht auf eine Anfrage zu den Ergebnissen reagiert und das Organisationskommitee habe die Interpretation der Journalisten nur bezüglich eines Messwertes bestritten, dieser habe nur knapp über dem Limit gelegen und sei auch nur neben, nicht direkt auf der Triathlonstrecke gewonnen worden.
Warnungen vor schlechten Messwerten schon im Frühjahr
Die Organisation Surfrider Foundation, die nach eigenen Angaben vor Olympia selbst mehr als ein Dutzend Mal Proben aus der Seine genommen hatte und dafür inzwischen keine Erlaubnis mehr hat, verlangte gestern in einer Mitteilung angesichts des französischen Medienberichts volle Transparenz von den Veranstaltern.
Die NGO hatte bereits im April in einem Offenen Brief unter Berufung auf die eigenen Analysen vor einer meist mangelnden Sauberkeit der Seine und vor Erkrankungssrisiken für die Athleten gewarnt. Sie setzt sich nach eigenen Angaben seit Jahrzehnten für die Gesundheit von Wassersportlern ein.
Die Stadt Paris veröffentlichte bis vor Beginn der Spiele regelmäßig selbst Angaben zu den E.coli- und Enterokokken-Werten auf ihrer Webseite, nun aber nicht mehr. Stattdessen heißt es dort, dass während der Spiele nur die Organisatoren Daten zur Wasserqualität der Seine übermittelten. Die Surfrider Foundation kritisiert die offiziellen Angaben allerdings als unzureichend und unpräzise.
Mehrere Sportler erkrankten
In den vergangenen Tagen waren in Medienberichten mehrere Krankheitsfälle bei Sportlern unterschiedlicher Nationen bekannt geworden, die etwa beim Triathlon in der Seine geschwommen waren.
Die belgische Triathletin Claire Michel etwa schrieb auf Instagram unter Berufung auf Bluttests, sie habe sich ein Virus eingefangen, drei Tage Durchfall und Erbrechen gehabt und einen Tag in der Klinik verbracht. Ein direkter Zusammenhang zur Seine ist wie in den anderen Fällen nicht bestätigt. Es gab auch Spekulationen über die Verpflegung als mögliche Ursache.
Die Wettkämpfe im Freiwasserschwimmen über zehn Kilometer wurden erst gestern und heute ausgetragen. Ein schwedischer Athlet trat heute wegen Bedenken über die Wasserqualität und die großen Wassermenge, die man bei einem fast zweistündigen Rennen verschlucke, gar nicht erst an, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Die Organisatoren beteuern demnach, dass das Wasser streng überwacht werde und die Werte gestern an allen Messorten sehr gut gewesen seien.
Der Verband World Triathlon hält selbst in einem Papier zum Thema Wasserqualität fest, dass es generell schwer zu beweisen sei, ob Erkrankungen auch wirklich Folge einer Exposition beim Schwimmen sind. Die Symptome seien oft unspezifisch, die Krankheit werde oft nicht genau diagnostiziert. Es kämen viele verschiedene krankheitsauslösende Viren in Frage, für die es aber keine Routinetests gebe.
Es wird in dem Dokument auch darauf hingewiesen, dass mehrere physiologische Mechanismen während der Belastung Athleten anfälliger machen könnten, etwa die hormonelle Stressreaktion. Infektionen seien durch Verschlucken von Wasser, aber auch über die Schleimhäute und Haut möglich.
Auch eine Frage der Methodik
Ein Unternehmen, das nach eigenen Angaben seit Jahren in Kooperation mit der Stadt Paris an einer Badestelle die Wasserqualität der Seine untersucht, kommt laut einem Spiegel-Bericht ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Seine zu schmutzig für den Triathlon gewesen sei.
Genutzt wurden hier aber weitergehende Methoden, mit denen sich im Unterschied zu den städtischen Labormethoden nicht nur frei schwimmende, sondern auch an Partikel gebundene Bakterien aufspüren ließen.
Aus dem Pariser Rathaus hieß es dem Spiegel zufolge, dass die Methode des Unternehmens kein Ersatz für die offizielle Daten sei, „die von allen Beteiligten gemeinsam validiert wurden“.
Die Bakterienbelastung in der Seine ist seit Wochen Thema in der französischen Hauptstadt. Nach starken Regenfällen am Tag der Eröffnungsfeier waren die Grenzwerte für E.Coli-Bakterien im Fluss zunächst überschritten worden, teils wurden Trainings abgesagt, auch ein Wettkampf wurde verschoben.
Als eines der Probleme gilt die Mischwasserkanalisation für Abwasser und Regenwasser, die bei starken Regenfällen überlaufen kann. Um dem entgegenzuwirken, wurde im Zuge der Olympia-Vorbereitungen unter anderem ein 50.000 Kubikmeter großes unterirdisches Auffangbecken am Bahnhof Austerlitz gebaut.
Rund 1,4 Milliarden Euro hat Paris für diese und weitere Maßnahmen für die Sauberkeit der Seine investiert. Bürgermeisterin Anne Hidalgo tauchte kürzlich selbst dort ein, um für das Vorzeigeprojekt zu werben.
Ab Sommer 2025 sollen dann alle Menschen darin schwimmen dürfen – in neu angelegten Freibädern. Das Schwimmen in der Seine war mehr als hundert Jahre lang verboten.
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