Ausland

Südafrikas Ambulanzen im Visier bewaffneter Banden

  • Montag, 23. Januar 2017
Uploaded: 23.01.2017 15:46:06 by maybaum
Township in Kapstadt /dpa

Kapstadt – In Südafrika werden Rettungswagen immer häufiger Ziel von Raubüber­fällen. Allein rund um Kapstadt wurden im vergangenen Jahr mehr als 80 bewaffnete Überfälle auf Rettungskräfte gemeldet. Sollte sich dieser Trend verstärken, kämen medizinische Notfälle für Betroffene aus der verarmten Bevölkerung einem Todesurteil gleich.

November 2016: In Kapstadts Rettungszentrale geht ein Notruf ein. Im Township Han­no­­ver Park soll ein angeschossener Mann am Boden liegen. Eine Ambulanz macht sich auf den Weg und trifft im Morgengrauen am Tatort ein. Im selben Augenblick geraten die Sa­nitäter unter Beschuss, ihr Wagen wird von Kugeln durchlöchert. Lokalen Medien und Po­­li­tikern zufolge treten Fälle wie dieser immer häufiger auf. „Verachtenswerte Perso­nen haben unsere Angestellten als leichtes Ziel auserkoren“, klagt der private Sanitäts­dienst EMS.

Das Problem sind Banden, die bereits vor der demokratischen Wende 1994 die Town­ships terrorisierten. Mittlerweile weigern sich private Rettungsdienste, die Slums ohne Polizeieskorte zu betreten – auch dann, wenn Patienten so bis zu zwei Stunden auf den Transport ins nächste Krankenhaus warten müssen. Laut EMS-Sprecher Robert Daniels wurden einige Townships zur „roten Zone“ erklärt. „Das wirkt sich erheblich auf die Reak­tionszeit der Notärzte aus, doch die Sicherheit unserer Angestellten hat oberste Priori­tät.“

Unterdessen steigt die Wut der Betroffenen. „Selbst in Kriegsländern werden Ambulan­zen nicht gezielt angegriffen“, schimpft Bongani Mini, Vorstandsmitglied der Südafrikani­schen Bürgervereinigung (SANCO) in Philippi. Auch das Township im Süden Kapstadts wird von rivalisierenden Banden beherrscht. Im September zog ein Konvoi aus 300 Sani­tätern, Pflegern und Polizisten durch Philippis Straßen, um gegen die Attacken zu protes­tieren. „Heute wissen wir, dass die Sicherheit der Sanitäter jeden etwas angeht“, sagte Kapstadts Gesundheitsstadträtin Nomafrench Mbombo.

Mitte 2016 im Happy Valley: Im „glücklichen Tal“, einem Township bei Kapstadt, werden Sanitäter von vier Männern aufgehalten, als sie gerade einen Patienten in den Wagen la­den. Ein Nothelfer wird mit einer geborstenen Flasche niedergestochen; Mobiltelefone, Geldbörsen und Taschen nehmen die Kriminellen mit. „Sie nehmen unsere persönlichen Gegenstände, Unterlagen – was immer sie kriegen können“, sagte Sanitäter Lonwabo Mdabula.

Doch nicht nur in Kapstadt, dem Zentrum der Ambulanzkrise, werden die Nothelfer zu Opfern. 2015 hielten Bewaffnete einen Rettungswagen in der Provinz KwaZulu-Natal auf. „Sie nahmen zwei Telefone und befahlen den Sanitätern zu laufen. Dann steckten sie den Wagen samt der Rettungsgeräte in Brand“, berichtet der regionale Gesundheits­mi­nis­ter Sibongiseni Dhlomo. Später stahlen sieben Bewaffnete eine Ambulanz in Johann­es­burg, zwangen den Fahrer in den Wagen und entführten damit drei Kinder aus einem Waisenhaus. Einen anderen gestohlenen Notarztwagen aus der Provinz Freistaat fand die Polizei schließlich im Nachbarland Lesotho. Dort sollte er zum Taxi umgebaut werden.

Immer mehr Sanitäter sind auf psychologische Unterstützung angewiesen. Die Politik rea­giert langsam, etwa mit speziellen Trainings für die Helfer und Geld für einbruch­sichere Fensterscheiben. Entscheidend für die Rettungsdienste bleibt vorerst aber der individu­elle Mut. Als Notelferin Sandra Oliver aus Kapstadt mit einem Messer bedroht wurde, an dem noch das Blut des letzten Opfers klebte, fasste sie einen Entschluss. Sie besuchte einen Boxkurs und trainiert täglich Langstreckenlauf, wie das Nachrichten­portal News24 berichtete. Ihre Strategie gegen die Gefahr: „Vielleicht kann ich mich nicht immer wehren, doch zumindest kann ich weglaufen.“

kna

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