Ausland

Tschechische Frauen kämpfen vergeblich um Recht auf Hausgeburt

  • Dienstag, 15. November 2016
Uploaded: 04.01.2016 19:07:22 by mis
/dpa

Prag/Straßburg – Immer mehr Frauen in Tschechien wollen ihr Kind nicht mehr in der Klinik zur Welt bringen. Sie wünschen sich eine Geburt im vertrauten und gemütlichen Umfeld der eigenen vier Wände, fernab von grauen Krankenhausfluren. Doch anders als in vielen europäischen Ländern ist eine von Hebammen betreute Hausgeburt zwischen Karlsbad und Brünn ein praktisch unerfüllbarer Wunsch.

Dagegen hatten zwei tschechische Mütter vor dem Europäischen Gerichtshof für Men­schen­rechte in Straßburg geklagt. Heute mussten sie eine Niederlage einstecken. Die Richter der Großen Kammer betonten den „Gestaltungsspielraum“ der Einzelstaaten. Es gebe keinen „europäischen Konsens“ über den Sinn von Hausgeburten.

Zuzana Candigliota von der Liga der Menschenrechte zeigte sich in Prag enttäuscht, be­tonte aber, das Gericht habe den Staat immerhin dazu aufgerufen, die tschechische Ge­burtshilfe auf den Stand der neuesten medizinischen und wissenschaftlichen Ent­wick­lung zu bringen. Sie wolle nun an den UN-Ausschuss gegen Frauendiskriminierung appellie­ren.

Eine der Klägerinnen, Sarka Dubska, brachte ihr erstes Kind im Krankenhaus zur Welt. Beim nächsten Kind stand ihr Entschluss fest – es sollte eine Hausgeburt werden. Doch weil das Gesundheitssystem für die Kosten einer Hebamme nicht aufkommen wollte, war die Frau auf sich gestellt. Am Ende brachte sie zwei weitere Kinder nur mit der Hilfe ihres Mannes zur Welt – ganz ohne geschultes Personal. Doch lieber hätte sie profes­sio­nelle Hilfe zur Seite gehabt. „Nur dann ist die Hausgeburt sicher, günstiger und angenehmer als eine Geburt im Krankenhaus“, sagte sie.

Auch die inzwischen dreifache Mutter Alexandra Krejzova konnte keine Hebamme finden, die zu einer Hausgeburt gekommen wäre. „Das tschechische Geburtshilfe-System erniedrigt Frauen und spricht ihnen die Kompetenz ab, über sich und ihre Kinder zu entscheiden“, beklagte Krejzovas Anwältin Adela Horejsi.

Zwar sind Hausgeburten in Tschechien nicht gesetzlich verboten. Doch brauchen He­b­a­m­men eine Genehmigung der Gesundheitsbehörden, die nach Angaben der Be­troffenen kaum zu beschaffen ist. „Die Behörden üben Druck auf die Hebammen aus und versu­chen, sie mit der Androhung von Ordnungsgeldern einzuschüchtern“, sagte Can­digliota. Selbst die Eintragung des Kindes beim Standesamt ist mit Schwierigkeiten ver­bunden.

Der Trend scheint dennoch nicht aufzuhalten zu sein. „Geschätzt geht es um mindes­tens tausend Frauen im Jahr, denn die Zahl der Hausgeburten nimmt zu, vor allem in Prag“, sagte Candigliota. Es entbehre jeder Logik, ihnen keine Hebamme zur Seite zu stellen.

Beim europäischen Spitzenreiter, den Niederlanden, kommt bereits ungefährt jedes dritte Baby zu Hause zur Welt. In Deutschland sind es weniger als zwei Prozent der Kinder. Zwar werden dort die Kosten von den Krankenkassen übernommen, vielen Hebammen bereiten aber die seit Jahren steigenden Beiträge zur Haftpflicht­versicherung Probleme.

Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe sieht größtmögliche Si­cher­heit für Mutter und Kind gemäß früherer Angaben nur in einer Geburtsklinik als gegeben an. Nur dort könne auf unvorhersehbare Notsituationen sofort reagiert werden. Auch die tschechische Ärzteschaft lehnt Hausgeburten als zu risikoreich ab. Der Prager Gynäko­logieprofessor Pavel Calda sprach gar von einem „egoistischen Abenteuer von Frauen, die sich ohne Rücksicht auf Risiken nach eigenen Erlebnissen sehnen“.

dpa

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