US-Impfgremium: COVID-19-Impfung als individuelle Entscheidung

Atlanta – Das Impfgremium des umstrittenen US-Gesundheitsministers Robert F. Kennedy Jr. macht die Impfung gegen COVID-19 zur individuellen Entscheidung. Entsprechend stimmte das Advisory Committee on Immunization Practices (ACIP) Ende vergangener Woche ab, wie das US-Gesundheitsministerium jetzt mitteilte.
So sollen Menschen ab einem Alter von sechs Monaten etwa mit einem Arzt über Nutzen und Risiko der Immunisierung sprechen und gemeinsam eine Entscheidung treffen. Wer sich für die Impfung entscheidet, soll die Kosten auch weiter von Versicherungen erstattet bekommen, hieß es.
Die Entscheidung stellt eine Abkehr von der bisher relativ breiten Empfehlung dar, derzufolge die meisten Erwachsenen in den USA einen jährlichen Booster gegen COVID-19 erhalten sollten.
Die Food and Drug Administration (FDA) hatte die an aktuelle SARS-CoV-2-Varianten angepassten Impfstoffe kürzlich bereits nur noch für ältere Menschen und Risikogruppen zugelassen. Fachleute gingen schon deshalb davon aus, dass der Zugang zur COVID-19-Impfung in den USA erschwert wird.
Weitreichendere Änderungen des Kinderimpfkalenders, die für die ACIP-Sitzung vergangene Woche befürchtet worden waren, blieben zunächst aus. Teils wurden Entscheidungen vertagt. Die Sitzung wurde in US-Medien dennoch als bemerkenswert eingestuft, weil sich das Gremium mit lange bestehenden Empfehlungen befasste, ohne dass es dafür einen aktuellen Anlass, wie zum Beispiel neue Evidenz, gegeben hätte.
Das Gremium sprach sich zum Beispiel dafür aus, dass Kleinkinder separat gegen MMR (Masern, Mumps, Röteln) und Windpocken geimpft werden sollen, da der Kombinationsimpfstoff gegen alle vier Erkrankungen (MMRV) mit einem etwas erhöhten Risiko für Fieberkrämpfe einhergehe. Bei 85 Prozent der Kinder in der entsprechenden Altersgruppe in den USA wird dies ohnehin schon so gehandhabt, hieß es in der Sitzung.
Bei Kindern, die diese Impfstoffe getrennt erhalten, träten Fieberkrämpfe minimal seltener auf, kommentierte der Pädiatrie-Professor Adam Finn (Universität Bristol). Es handle sich um eine unangenehme, aber seltene und letztlich harmlose Nebenwirkung.
Manche Fachleute äußerten den Eindruck, dass es mit dem Betonen von Nebenwirkungen von Impfungen, die seit Jahrzehnten verabreicht werden, vor allem Zweifel bei Eltern gesät werden sollen. Die Verwirrung dürfte in jedem Fall wachsen, auch weil einzelne US-Bundesstaaten bereits angekündigt haben, eigene, vom ACIP unabhängige Impfempfehlungen herauszugeben. Auch will sich etwa ein großer Versicherungsverband an dem Impfkalender orientieren, der zum 1. September Bestand hatte.
Bevor die Empfehlungen des ACIP in Kraft treten können, ist die Zustimmung der CDC-Leitung nötig. Im Streit über Impffragen war die ehemalige CDC-Direktorin Susan Monarez kürzlich von Kennedy entlassen worden.
Auch das Gremium selbst ist in den vergangenen Monaten personell komplett ausgetauscht worden: Kennedy hatte überraschend alle bisherigen 17 ACIP-Mitglieder entlassen, wegen angeblicher Interessenkonflikte. Im Juni wurden zunächst acht neue Mitglieder berufen, weitere Ernennungen erfolgten erst wenige Tage vor der aktuellen Sitzung.
Die New York Times berichtete, die Sitzung vom vergangenen Donnerstag sei in Verwirrung und fast schon Chaos ausgeartet. Viele der Mitglieder hätten etwa Erläuterungen zum üblichen Ablauf dieser Sitzungen, zur Gestaltung wissenschaftlicher Studien und zu kritischen Mängeln in den Daten gebraucht.
„Viele der Diskussionsteilnehmer schienen sich auch über den Zweck des Programms Vaccines for Children (Impfstoffe für Kinder) unsicher zu sein, das etwa der Hälfte aller amerikanischen Kinder kostenlose Impfungen bietet“, schreibt die Zeitung. Es handelt sich dabei um eine Kernaufgabe des Gremiums.
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