Verweigerter Schwangerschaftsabbruch sorgt für Empörung in Polen

Warschau – Im wegen seiner restriktiven Abtreibungsgesetze international kritisierten Polen hat sich Gesundheitsminister Adam Nedzielski in den Fall eines 14-jährigen Mädchens mit geistiger Behinderung eingeschaltet, das sich nach einer Vergewaltigung lange vergeblich um einen Schwangerschaftsabbruch bemüht hatte.
„Wir sind entsetzt über diesen Fall und unsere Reaktion darauf ist eindeutig“, sagte Niedzielski gestern vor Journalisten. Ärzte in mehreren Krankenhäusern hatten dem Mädchen, das der Frauenrechtsgruppe Federa zufolge nach einer Vergewaltigung durch ihren Onkel schwanger geworden war, unter Berufung auf eine Gewissensklausel einen Schwangerschaftsabbruch verweigert.
Der Fall ließ Forderungen seitens Frauenrechtsgruppen und der Opposition laut werden, die polnischen Abtreibungsgesetze zu lockern. Seit Inkrafttreten eines fast vollständigen Verbots im Jahr 2021 sind Abbrüche in Polen nur noch dann zulässig, wenn die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung ist oder das Leben oder die Gesundheit der Frau gefährdet.
Durch den Fall der 14-Jährigen wurde jedoch deutlich, dass es Frauen selbst in solchen Fällen schwer gemacht werden kann, einen Schwangerschaftsabbruch ausführen zu lassen. Der Frauenrechtsgruppe Federa zufolge war das Mädchen sich ihrer Schwangerschaft nicht bewusst. Ihre Tante erfuhr jedoch von der sexuellen Misshandlung durch den Onkel und bemühte sich um einen Schwangerschaftsabbruch.
Erst nachdem Federa sich für das Mädchen eingesetzt hatte, wurde ein Abbruch in einem Krankenhaus in Warschau ausgeführt. Mehrere Oppositionsvertreter forderten nach Bekanntwerden des Falls eine Änderung des Abtreibungsgesetzes.
Die Gewissensklausel sei „barbarisch und unmenschlich“ und müsse abgeschafft werden, sagte Katarzyna Kotula von der linksliberalen Partei Wiosna. Mitte-Links-Politikerin Barbara Nowacka von der Bürgerkoalition kündigte einen Gesetzentwurf der Opposition zur Abschaffung der Gewissensklausel im Sejm an.
Polens Oberstes Gericht hatte mit Unterstützung der nationalkonservativen Regierung im Oktober 2020 auch die Abtreibung schwer fehlgebildeter Föten für verfassungswidrig erklärt und damit den Weg für eine Verschärfung des auch zuvor schon sehr restriktiven Abtreibungsrechts freigemacht.
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