Welthungerhilfe: Corona ist „Brandbeschleuniger“ für Hunger

Berlin – Die Welthungerhilfe befürchtet eine drastische Zunahme von Hunger und Armut weltweit durch die Coronapandemie. Besonders in Afrika südlich der Sahara und in Südasien sei die Situation schon vor der Pandemie alarmierend gewesen, sagte die Präsidentin der Organisation, Marlehn Thieme, bei der Vorstellung des Welthunger-Index 2020 in Berlin.
„COVID-19 wirkt wie ein Brandbeschleuniger“, sagte sie. Zusätzlich werde die Situation durch die Folgen des Klimawandels wie zunehmende Dürrekatastrophen verschärft. Laut Welthungerindex steigt die Zahl der Hungernden weltweit seit fünf Jahren wieder.
Ende 2019 seien es fast 690 Millionen Menschen in rund 50 Ländern gewesen, heißt es. In 14 Ländern habe sich die Situation seit 2012 verschlechtert. Dafür werden neben dem Klimawandel vor allem Konflikte wie in Syrien und im Jemen verantwortlich gemacht. Jetzt kommt SARS-CoV-2 hinzu.

Die Welthungerhilfe befürchtet nun, dass das Ziel der Vereinten Nationen, den Hunger bis 2030 zu besiegen, weit verfehlt werden könnte. „Wenn wir bei der Hungerbekämpfung weiter so machen wie bisher, werden es 37 Länder bis 2030 nicht schaffen, ein niedriges Hungerniveau zu erreichen“, sagte Thieme. Die Fortschritte seien viel zu gering.
Mit der Forderung nach einer Verstärkung des Kampfes gegen den Hunger läuft die Welthungerhilfe im Bundesentwicklungsministerium offene Türen ein. Entwicklungsminister Gerd Müller verlangte heute angesichts der dramatischen Lage neue Milliardenhilfen und radikale Agrarreformen.
„Hunger ist und bleibt der größte vermeidbare Skandal. Der Planet hat die Ressourcen, zehn Milliarden Menschen zu ernähren“, sagte der CSU-Politiker. Er verwies auf zwei neue internationale Studien, nach denen jährlich 14 Milliarden Dollar (11,9 Milliarden Euro) zusätzliche Investitionen und eine „Agrarrevolution“ notwendig sind, um den Hunger in den nächsten zehn Jahren zu besiegen. „Dies darf nicht am politischen Willen scheitern“, betonte Müller.
An den Studien, die morgen auf einer Konferenz vorgestellt werden, waren die Cornell University im US-Bundesstaat New York, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), das International Food Policy Research Institute und das Zentrum für Entwicklungsforschung der Universität Bonn beteiligt.
Die Wissenschaftler schlagen Investitionen unter anderem in besseres Saatgut und eine bessere Bewässerung vor. Um alle Menschen zu ernähren, müsse die Landwirtschaftsproduktion bis 2050 um 60 Prozent steigen.
Müller betonte, dass Deutschland inzwischen rund zwei Milliarden Euro pro Jahr in Ernährungssicherung und ländliche Entwicklung investiere und damit doppelt so viel wie 2013. Damit sei die Ernährung von 20 Millionen Menschen gesichert worden und acht Millionen Menschen seien aus Hunger und Mangelernährung geführt worden.
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