Autismus zur Hälfte erblich?
Der Anteil von Umwelt und Genen an autistischen Erkrankungen beschäftigt die Forscher seit längerem. Frühere Zwillingsstudien die eineiige und zweieiige Zwillinge gegenüber stellten, hatten den Anteil der Gene auf 90 Prozent geschätzt. In den letzen Jahren war das Pendel dann in die andere Richtung ausgeschlagen. Joachim Hallmayer von der Stanford Universität kam vor einigen Jahren in den Archives of General Psychiatry (2011; 68: 1095-102) zu dem Ergebnis, dass die Erkrankung allenfalls zu einem Drittel (37 Prozent) erblich sein könne und dass Umweltfaktoren die wichtigeren Krankheitsauslöser seien. Anders wäre es nicht zu erklären, warum die Zahl der Erkrankungen in den letzen Jahrzehnten so rasch angestiegen ist. In den USA wird die Prävalenz der Autismus-Spektrumstörung (ASS) auf mindestens 1 Prozent geschätzt und damit zehnmal höher als noch vor wenigen Jahrzehnten.
Jetzt hat ein Team um Joseph Buxbaum von der Icahn School of Medicine in New York in Nature Genetics (2014; doi: 10.1038/ng.3039) erneut Berechnungen angestellt. Sie beruhen auf der schwedischen Population-Based Autism Genetics and Environment Study (PAGES), die als äußerst zuverlässig eingestuft wird. Beim Erbgutvergleich zwischen 3000 Personen mit ASS und 3000 Kontrollen und unter Verwendung neuer statistischer Methoden kommt Buxbaum zu dem Ergebnis, dass etwa 52 Prozent aller ASS von den Eltern geerbt sind. Darunter sind nach Schätzungen der Forscher allerdings nur etwa 3 Prozent, die sich auf klare Gendefekte wie Deletionen oder Duplikationen zurückführen lassen.
Bei den übrigen 49 Prozent lässt sich eine Erblichkeit nur statistisch nachweisen, ohne dass der Erkrankung ein definitiver Erbdefekt zugrunde liegt. Buxbaum vermutet, dass es in einzelnen Familien eine genetische Anfälligkeit für ASS gibt. Ob ein Familienmitglied dann tatsächlich erkrankt, könnte dann durchaus auf eine spontan auftretende zusätzliche Mutation zurückgeführt werden.
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