Süßer Irrtum: Welchen Nutzen haben künstliche Süßstoffe?
Für Menschen, die gerne Süßes essen, aber die damit verbundenen Kalorien vermeiden wollen, sind künstliche oder auch natürliche Süßstoffe verlockend. Sie schmecken zigfach süßer als Zucker, enthalten aber keine oder kaum Kalorien. Für die Gewichtsregulierung und zur Krankheitsprävention sind Süßstoffe dennoch keine große Hilfe, wie jetzt erneut eine Metaanalyse zeigt, die in Vorbereitung für eine Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation durchgeführt wurde.
Der älteste Süßstoff Saccharin, der bereits 1879 entdeckt wurde, schmeckt 300fach süßer als Kristallzucker. Der derzeit beliebteste Süßstoff, Sucralose, soll noch einmal doppelt so süß sein. Er wurde 1999 zugelassen, nachdem ausführliche Tests seine Unbedenklichkeit ergeben hatten (ein anderer Süßstoff, Cyclamat, ist wegen eines vermuteten Krebsrisikos in den USA seit 1970 verboten und in Europa stark reglementiert).
Süßstoffe sind keine Arzneimittel und die Hersteller müssen deshalb nicht nachweisen, dass sie das Körpergewicht senken oder einen Typ-2-Diabetes vermeiden helfen. Die Studien, die ein Team um Jörg Meerpohl vom Institut für Evidenz in der Medizin an der Universität Freiburg zusammengetragen hat, wurden in der Regel von öffentlich finanzierten Forschungsinstituten durchgeführt, denen in der Regel das Geld für größere Untersuchungen mit einer längeren Nachbeobachtungszeit fehlt. Unten den 56 Studien, die für die Metaanalyse ausgewählt wurden, waren 35 Beobachtungsstudien, deren Ergebnisse für Verzerrungen anfällig sind.
Die Forscher verknüpfen ihre Ergebnisse deshalb mit einem Appell an neue Forschungen. Sie wären zweifellos wichtig, da nach Umfragen 15 Prozent der US-Bevölkerung regelmäßig zu Süßstoffen greift, wobei die Beliebtheit von Süßstoffen parallel zum Anteil der Fettleibigen in der Gesellschaft zugenommen hat.
Nach den Ergebnissen der Metaanalyse bleibt die erhoffte Wirkung auf das Körpergewicht zumeist aus. Übergewichtige und Fettleibige erreichten in den Studien bei einem Ausgangsgewicht von 87 Kilogramm eine Reduktion um 1,99 Kilogramm. Diabetiker, eine medizinisch wichtige Zielgruppe, erreichten in zwei randomisierten Studien eine Senkung des Nüchternblutzuckers um 0,16 mmol/l (2,8 mg/dl). Ein Einfluss auf die Insulinspiegel und die Insulinempfindlichkeit war nicht nachweisbar. Diese Wirkungen sind klinisch kaum relevant. Immerhin wurde die Befürchtung, dass die Süßstoffe zu einer paradoxen Zunahme des Körpergewichts führen und die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes fördern, nicht bestätigt.
Wegen der fehlenden Wirkung auf Körpergewicht und Blutzucker sind medizinische Vorteile nicht zu erwarten. Die Metaanalyse fand denn auch keine Hinweise darauf, dass die Süßstoffe einen Typ-2-Diabetes und als Folge Herz-Kreislauf-Erkrankungen verhindern können. Auch die diskutierten Risiken (Nierenerkrankungen, Blasenkrebs) konnten nicht bestätigt werden. Da die Studienlage allerdings schwach ist, lassen sich langfristige negative Auswirkungen nach Einschätzung der Autoren nicht ausschließen.
Menschen, die eine Diät mit Süßstoffen planen, können ihre Kalorienzufuhr den Ergebnissen der Metaanalyse zufolge um etwa 250 Kilokalorien senken. Eine Gewichtsreduktion wird in der Regel nicht erzielt. Warum die Süßstoffdiäten misslingen, ist nicht genau bekannt. Tierexperimentelle Studien deuten darauf hin, dass Süßstoffe im Gegensatz zu Kristallzucker den Appetit nicht vermindern, sondern eher steigern. Ratten, die eine Zuckerlösung erhielten, hatten danach zunächst kein Interesse am Futter. Nach der Gabe von Süßstoff war der Appetit dagegen nicht begrenzt. Untersuchungen mit der Magnetresonanztomografie zeigen, dass Süßstoffe die Appetitzentren des Gehirns in anderer Weise stimulieren als Kristallzucker.
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