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Forschende untersuchen Einfluss der verminderten Artenvielfalt auf Zoonosen

  • Donnerstag, 4. Januar 2024
/Sikho studio, stock.adobe.com
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Berlin – Ein neues Projekt soll den Einfluss des Biodiversitätsverlusts auf die Übertragung von Zoonosen untersuchen, um diese frühzeitig erkennen zu können. Die EU-Kommission fördert das jetzt unter Leitung der Charité gestartete Projekt „Zoonosis Emergence across Degraded and Restored Forest Ecosystems” (ZOE) mit rund vier Millionen Euro gefördert.

„Wenn wir in Naturräume eingreifen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Tiere, die mit den neuen Umweltbe­din­gungen besser zurechtkommen, sich stärker vermehren“, erklärte Jan Felix Drexler, Virologe an der Charité und Leiter des neuen Forschungsvorhabens. „Es gibt Hinweise, dass sich mit ihnen auch ihre Krankheitserre­ger vermehren, die potenziell für den Menschen gefährlich werden können“.

Der Verlust der Artenvielfalt beeinflusst also die Wahrscheinlichkeit von Zoonosen. Und zwar insbesondere dort, wo der Mensch Landschaften erstmals oder anders als bisher nutzt: Wo er zum Beispiel Wälder abholzt, um Weideland für Nutztiere oder Plantagen zu schaffen, oder wo Städte sich in das Umland ausbreiten.

Interdisziplinäres Team kartiert Makro- und Mikro-Biodiversität

Die genauen Zusammenhänge zwischen Landnutzungsänderungen, dem Verlust der Biodiversität und dem Zoonoserisiko sind noch immer unklar.

Um sie besser zu verstehen, hat Drexler gemeinsam mit Nadja Kabisch, Landschaftsökologin an der Leibniz Universität Hannover und Ko-Koordinatorin des Projekts, ein interdisziplinäres Konsortium mit Expertise in den Bereichen Geografie, Geobotanik, Ökologie, Virologie, Immunologie, Epidemiologie, Soziologie, Psycholo­gie, Anthropologie und Wissensverbreitung versammelt.

Die Forschenden aus sieben europäischen und vier amerikanischen Ländern planen eine detaillierte Kartie­rung der Biodiversität in Waldgebieten, in die der Mensch unterschiedlich stark eingegriffen hat. Das Team wird dazu in Guatemala, Costa Rica, Slowenien und der Slowakei ursprüngliche Wälder sowie entwaldete und renaturierte Flächen untersuchen.

Um die jeweils vorherrschende Landnutzung und die Artenvielfalt zu ermitteln, sollen die Beschaffenheit der Landschaft sowie die Tier- und Pflanzenarten mithilfe von Satellitenaufnahmen und auch direkt vor Ort er­fasst werden.

Zusätzlich wollen die Forschenden bestimmen, wie viele potenziell gefährliche Mikroorganismen in dem Ökosystem zirkulieren, indem sie Nagetiere, Zecken und Mücken – als häufige Träger zoonotischer Erreger – mittels Sequenziertechniken auf das Vorhandensein verschiedener Bakterien und Viren testen.

Blutproben von in der Nähe lebenden Menschen sollen Aufschluss darüber geben, wie viele dieser Erreger bereits übertragen worden sind. Ergänzend zu den biomedizinischen Untersuchungen will das Forschungs­team auch systematische Befragungen durchführen: Wie erleben die Menschen in den Studiengebieten die Umweltveränderungen? Wie häufig treten Krankheiten auf, wie gehen sie mit dem Infektionsrisiko um?

Vorhersagemodelle zur frühen Erkennung des Zoonose-Risikos

Aus diesen sehr unterschiedlichen Daten wolle das Studienteam statistische Modelle entwickeln, sagte Studien­leiter Drexler. „Sie sollen Aussagen darüber treffen, wie stark das Risiko zoonotischer Erkrankungen abhängig vom Grad der Landnutzungsänderungen und dem Verlust der Biodiversität steigt.“

Zudem erhofft sich der Virologe Erkenntnisse zur Wirkung von Renaturierungsmaßnahmen. „So wollen wir dazu beitragen, dass das Risiko von neuen Zoonosen direkt vor Ort erkannt und begrenzt werden kann – als ein Baustein zur Vermeidung künftiger Epidemien.“

EB/mim

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