Medizinischer Fakultätentag: Optimistischer Blick in die Zukunft trotz internationaler Herausforderungen

Freiburg – Von Optimismus und gleichzeitig von Sorgen um die Wissenschaftsfreiheit geprägt ist der diesjährige Ordentliche Medizinische Fakultätentag (oMFT), der heute in Freiburg startete. Ein Grund für den Optimismus der medizinischen Fakultäten in Deutschland ist unter anderem der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung. In ihm sei „so viel für die Universitätsmedizin enthalten ist, wie selten zuvor“, ist mehrfach zu hören.
Zum anderen ist angesichts der jüngsten politischen Eingriffe in den USA, die das dort etablierte System der internationalen Wissenschaft beschädigen, eine große Sorge um die Wissenschafts- und Forschungsfreiheit unter den Vertreterinnen und Vertretern der medizinischen Fakultäten spürbar.
Matthias Frosch, der das Gremium sechs Jahre durch wechselvolle und schwierige Zeiten wie die Pandemie führte, gab heute die Wahl von Martina Kadmon zur neuen MFT-Präsidentin durch die MFT-Mitgliederversammlung bekannt (das Deutsche Ärzteblatt berichtete). Er selbst war nach zwei Amtszeiten nicht erneut zur Wahl angetreten. Sein Engagement für die Stärkung nachhaltiger und kooperativer Forschungsinfrastrukturen und für die Förderung von Clinician-Scientist-Programmen war prägend.
Zum Auftakt des oMFT würdigte Frosch als bisheriger MFT-Präsident einige Punkte des Koalitionsvertrags, wie die Spitzeninitiative für die Universitätsmedizin, die Gesundheitsforschung als strategisches Zukunftsfeld, die Deregulation und Entfesselung von kleinteiliger Förderbürokratie und die Stärkung der Rahmenbedingungen für klinische Studien.
Man könne gespannt sein, wie diese Themen konkret umgesetzt werden sollen und bei der angespannten Haushaltssituation auch umgesetzt werden könnten, merkte der Dekan der Medizinischen Fakultät Würzburg jedoch skeptisch an.
Gemeinsam mit dem Verband der Universitätsklinika Deutschland (VUD) würde sich der MFT aktiv in die Ausgestaltung dieser Ideen und Initiativen einbringen wollen, betonte er. Dies betreffe insbesondere die Krankenhausreform, bei der die Universitätsmedizin eine koordinierende Aufgabe zugeschrieben bekommen habe und die auch unmittelbare Auswirkungen auf das Medizinstudium und die Lehre haben werde. „Diese Rolle zu erhalten und sie weiter auszuformulieren, wird eine Aufgabe für die nächsten Jahre bleiben“, so Frosch.
Dies bekräftigte auch der VUD-Vorsitzende Jens Scholz: Die neue Bundesregierung habe mit dem Koalitionsvertrag viele „richtige Weichen“ gestellt – jetzt komme es auf die konsequente Umsetzung an. Die Ziele der Krankenhausreform müssten jedoch dabei im Fokus bleiben und dürften nicht durch zu viele Änderungen „verwässert“ werden, forderte Scholz. „Struktur braucht Klarheit“, betonte er.
Dass die Politik den besonderen Wert der universitären Trias aus Forschung, Versorgung und Lehre erkannt habe, zeige beispielsweise auch die Verstetigung des Netzwerks Universitätsmedizin (NUM), so der VUD-Vorsitzende. Die Universitätsmedizin übernehme gerne die Verantwortung, aber „Verantwortung braucht Ressourcen“, sagte Scholz. Wichtig sei insbesondere die vereinbarte angemessene Berücksichtigung der Universitätsmedizin bei den Förderzwecken des Transformationsfonds.
Einen Schwerpunkt wollen die medizinischen Fakultäten in der neuen Legislaturperiode wiederum auf die Aus- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten legen. Ihnen müssten weiterhin attraktive und unterstützende Angebote gemacht werden, so Frosch.
Mit den Clinician-Scientist-Programmen, die an nahezu allen Medizinischen Fakultäten inzwischen fest etabliert seien, habe man bereits wertvolle Erfahrungen gesammelt. „Die Förderung der Clinician Scientists war mir immer ein großes Anliegen und sie muss als Daueraufgabe der Medizinischen Fakultäten auf der Agenda bleiben“, forderte er.
Mit den Strukturen, die der MFT für die Clinician Scientists und für die verschiedenen Programme aufgebaut habe, könne sichergestellt werden, dass die Förderprogramme sich kontinuierlich an neue Aufgaben und Herausforderungen anpassen würden, erläuterte Frosch weiter. Denkbar für die Zukunft halte er zudem speziell auch Programme zur Förderung von Clinician Scientists in der Durchführung klinischer Studien. Das MFT-Präsidium habe dazu jetzt ein Empfehlungspapier verabschiedet.
Dauerbaustelle: Reform des Medizinstudiums
Doch nicht nur Lob kam von Frosch. Der Präsident verschwieg nicht den Frust, der sich in den vergangenen Jahren angesichts der längst überfälligen Reform des Medizinstudiums angestaut hat. „Die alte Bundesregierung hat es nicht geschafft, die im Koalitionsvertrag 2021 angekündigte Verabschiedung einer neuen Ärztlichen Approbationsordnung umzusetzen und ist letztendlich an der Finanzierung durch die Länder gescheitert“, erklärte er.
Hans J. Reiter, Ministerialdirektor und Amtschef im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, erklärte allerdings heute, dass die Länder der Reform der ärztlichen Approbationsordnung positiv gegenüberstünden. „Dies geht jedoch nicht ohne finanzielle Mitwirkung des Bundes“, sagte er einschränkend. Skeptisch zeigte er sich gegenüber Bestrebungen, die Zahl der Studienplätze für Humanmedizin in Deutschland weiter zu erhöhen.
Das Tauziehen um die Finanzierungsverantwortung bei der Reform des Medizinstudiums ist den Fakultäten nicht neu: Tatsächlich liegt der Entwurf der Novelle, die auf dem Masterplan Medizinstudium 2020 basiert, quasi fertig im Bundesgesundheitsministerium vor. Lediglich aufgrund ungeklärter Finanzierungsfragen wurde er bislang nicht ungesetzt. Dies sei letztlich auch die Folge von grundsätzlichen „Webfehlern“ des Approbationsordnungsprozesses, so der bisherige MFT-Präsident.
Der erste Webfehler sei der bereits 2017 im Masterplan fixierte Finanzierungsvorbehalt der Finanzminister der Bundesländer. Mit der Zeit sei immer deutlicher geworden, dass die Umsetzung des Masterplans zusätzliche Kosten in der Größenordnung von 300 Millionen Euro jährlich verursachen würde, allein der Betreuungs- und Organisationsaufwand würde um etwa 20 Prozent zunehmen, analysierte Frosch.
Als zweiten Webfehler benannte er die Regelungs- und Detaildichte der Novelle. Sie würde die Gestaltungsmöglichkeiten eines Curriculums durch die Fakultäten einschränken und keine schnelle Reaktionsmöglichkeit auf kurzfristige Ereignisse zulassen. „Wie wichtig jedoch diese Flexibilität ist, haben wir in der Pandemie gesehen“, so Frosch.
Ein dritter Webfehler sei es gewesen, die Medizinischen Fakultäten in den Masterplanprozess zu Beginn nicht einzubeziehen. Das gelte es jetzt zu vermeiden: „Wenn die neue Bundesregierung nun ankündigt, die Ziele des Masterplans weiterzuverfolgen und eine Verständigung über Ausgestaltung und Finanzierung in einer Bund-Länder-Kommission herbeiführen zu wollen, müssen die Medizinischen Fakultäten beteiligt sein“, forderte er. Mit dem Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog (NKLM) hätten die Medizinischen Fakultäten bereits eine hervorragende Grundlage geschaffen.
Kooperationen und Wissenschaftsstrukturen gefährdet
Neben der „Dauerbaustelle Reform des Medizinstudiums“ plagen Medizinstudierende sowie Fakultäten momentan noch andere Sorgen. Beim oMFT im vergangenen Jahr habe er mit Blick auf die Wahlen zum EU-Parlament zwar auf die Bedrohung der Freiheit von Forschung und Lehre hingewiesen und vor den Gefahren für das pluralistische Wissenschaftssystem durch undemokratische und mittlerweile als verfassungsfeindlich eingestufte Parteien gewarnt und zur Verteidigung der Meinungsfreiheit aufgerufen, sagte Frosch.
Unvorstellbar gewesen sei damals jedoch die Brachialgewalt, mit der eine neue Administration in Washington „gewachsene Forschungsstrukturen zerstört und Universitäten in ihren Kernaufträgen behindert“. „Wissenschaftsfreiheit ist unabdingbar“, bekräftigte auch Reiter in seinem Grußwort.
Es gebe einen grundlegenden Zusammenhang zwischen Wissenschaft und Freiheit, und der werde dieser Tage leider infrage gestellt. „Deshalb gilt es, angesichts der globalen Herausforderungen die Wissenschaft zu stärken“, so der Ministerialdirektor und Amtschef im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg.
Auch das deutsche Wissenschaftssystem sei betroffen, wenn Forschenden die Möglichkeiten von karriereprägenden Auslandsaufenthalten genommen, der freie Austausch im Rahmen von Wissenschaftskonferenzen eingeschränkt und länderübergreifende Forschungsprojekte behindert oder unterdrückt würden, betonte Frosch. „Umso wichtiger ist es, unsere Offenheit gegenüber Studierenden und Forschenden aus allen Ländern zu bewahren und die Verbindungen zu unseren Kooperationspartnern in den USA zu pflegen“, sagte er.
Diese internationalen Kooperationen waren ein Schwerpunktthema auf dem diesjährigen oMFT. Einstimmig betonten die Teilnehmenden die zentrale Bedeutung des transatlantischen Austauschs für Forschung, Lehre und Krankenversorgung in Deutschland.
Die offene, institutionell verankerte Zusammenarbeit mit US-amerikanischen Universitäten müsse dauerhaft gesichert und gestärkt werden, betonte Joybrato Mukherjee, Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD). Gleichzeitig müsste man jedoch eigene – und auch europäische - Strategien entwickeln, wie man mit den derzeitigen Veränderungen in den USA umgehe.
Forschung brauche Freiheit – und diese Freiheit lebe vom internationalen Miteinander“, sagte der VUD-Vorsitzende Scholz. Die Deutsche Universitätsmedizin stehe klar an der Seite all jener, die für eine offene und weltoffene Wissenschaft eintreten würden, versprach er. Man setze sich für den Erhalt starker globaler Partnerschaften ein, auch zur gemeinsamen Ausbildung.
Den Wunsch und die Notwendigkeit einer internationalen Ausbildung bekräftigte heute Amelie Belosevic, Vizepräsidentin für internationale Angelegenheit der Bundesvertretung der Medizinstudierenden Deutschlands (bvmd). Viele Studierende würden gerne in Austauschprogramme gehen, sagte sie. „Die USA dominieren da nicht unser Alltagsgeschäft.“ Insgesamt müsste der internationale Gedanke früh starten, meinte sie. Ein internationaler Austausch eröffne den Studierenden andere Blickwinkel, die sehr wertvoll seien.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: