Hochschulen

Sensoren an Prothese sollen natürliches „Gefühl“ vermitteln

  • Montag, 7. August 2023
/insta_photos, stock.adobe.com
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Zürich – Drucksensoren an der Sohle ihrer Beinprothese könnten künftig Patienten nach einer Oberschenkel­amputation helfen, Treppen zu steigen und schwierige Situationen zu meistern. Ein Problem der Neuroprothe­sen war bisher, dass die Impulse, die auf Nerven im Stumpf übertragen werden, als unnatürlich bis störend empfunden werden. Eine Software, die Forscher in bioRxiv (2023; DOI: 10.1101/2023.07.15.549130) vorstellen, soll dies ändern.

Vielen Patienten fällt es nach einer Amputation schwer, sich mit ihrer Prothese zurechtzufinden, vor allem wenn die Amputation oberhalb des Kniegelenks durchgeführt wurde. Ihnen fehlen vor allem die Informatio­nen von der Fußsohle über die Stellung und die Druckbelastung des Fußes. Drucksensoren an der Sohle der Prothese könnten hier helfen ändern. Die Messungen werden von einem Prozessor in der Prothese in elektrische Signale verwandelt, mit denen dann die Nerven im Stumpf gereizt werden.

Solche biomimetischen Neuroprothesen wurden bereits entwickelt, doch die Ergebnisse waren bisher unbefriedigend. Die Patienten empfanden die Signale in der Regel als unnatürlich, wenn nicht sogar als störende Parästhesien. Die Akzeptanz der Prothesen war deshalb gering.

Ein Team um Stanisa Raspopovic von der ETH Zürich sucht deshalb nach Wegen, die Drucksignale so zu verarbeiten, dass die Patienten sie als natürlich empfinden. Die Forscher haben deshalb in einem ersten Schritt in einem Computermodell die Dynamik der natürlichen Signalverarbeitung nachgestellt: „FootSim“ zeigt, wann beim Gehen von welchen Drucksensoren Signale zu erwarten sind.

Dieses Modell wurde dann in einem Experiment an Katzen mit den Signalen verglichen, die nach einer natürlichen Berührung auf der Höhe der Wirbelsäule entstehen. Dadurch konnten die Forscher die Prozessoren so programmieren, dass sie die Drucksignale in Impulse umsetzten, die die Fasern des Nervus tibialis im Stumpf der Patienten in ähnlicher Weise stimulieren, wie dies vor der Amputation beim Gehen der Fall war.

Die neue Software scheint recht gut zu funktionieren. Die ersten drei oberschenkelamputierten Patienten, die mit der neuen biomimetischen Prothese ausgerüstet wurden, empfanden die Signale als angenehmer als bei früheren Lösungen, bei denen die Druckmessungen unverarbeitet an die Nerven übertragen wurden.

Bei zwei Patienten wurde die Geschicklichkeit beim Treppensteigen und bei einem „Cognitive Dual Task“-Test untersucht, bei dem die Patienten beim Gehen mit der Prothese in ein Gespräch verwickelt werden, so dass sie sich nicht mehr allein auf das Gehen konzentrieren können. Im ersten Test konnten die beiden Probanden die Treppen schneller hinauf und hinabsteigen als mit konventionellen biomimetischen Prothesen. Im zweiten Test kamen sie trotz Ablenkung mit der neuen Prothese besser zurecht.

Die Forscher hoffen, dass ihre Ergebnisse zur Entwicklung einer neuen Generation von Neuroprothesen führen wird. Ob dies gelingt, wird letztlich von der Akzeptanz der Patienten abhängen, was sich nach den ersten Experimenten mit drei Probanden sicherlich noch nicht abschätzten lässt.

rme

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