„BrainGate“: Implantation von Elektroden auf Hirnrinde langfristig sicher

Boston – Elektroden, die die Signale der motorischen Großhirnrinde auffangen, sollen in Zukunft Patienten mit Tetraparese helfen, mit ihrer Umwelt zu kommunizieren. Ein „Brain-Gate“, das mittlerweile drahtlos mit einem Computer verbunden ist, hat sich nach einer Studie in Neurology (2023; DOI: 10.1212/WNL.0000000000201707) in den letzten beiden Jahrzehnten als sicher erwiesen, was den Weg für weitere Studien öffnet.
„BrainGate“ ist eines der ältesten und größten BCI-Projekte („Brain-Computer-Interface“), die Schnittstellen zwischen dem menschlichen Gehirn und dem Computer herstellen. Sie sollen Menschen helfen, die aufgrund von degenerativen Erkrankungen, Querschnittlähmung oder nach einem Schlaganfall nicht mehr in der Lage sind, mit ihrer Außenwelt zu kommunizieren.
Das Forscherteam von mehreren US-Universitäten hat in den letzten Jahren zeigen können, dass die EEG-Signale der sensomotorischen Rinde mit einer Software analysiert werden können. Die Bewegungsabsichten der Patienten werden dann beispielsweise für die Steuerung eines Cursors auf dem Bildschirm genutzt.
So waren 39 BrainGate-Teilnehmer nach einer Kalibrierungs- und Trainingsphase in der Lage, 30 bis 40 Zeichen pro Minute (CPM) zu kommunizieren (eLife 2017; DOI: 10.7554/eLife.18554.001).
Mit einer Handschrifterkennung, die die Absichten von Schreibbewegungen analysiert, erreichte ein Patient sogar Geschwindigkeiten von 90 CPM, die der eines durchschnittlichen gesunden Nutzers am Smartphone entspricht (Nature 2021; DOI: 10.1038/s41586-021-03506-2). Moderne Implantate können die Signale über einen Sender drahtlos an einen Computer übermitteln.
Eine Voraussetzung für den klinischen Einsatz ist die Sicherheit der Implantate. Einzelne Sonden, die in die Tiefe des Gehirns vorgeschoben werden, werden zwar schon seit Jahren in der Medizin eingesetzt, etwa als „Hirnschrittmacher“ beim Morbus Parkinson. Es handelt sich allerdings um relativ einfache Geräte, die einzelne elektrische Impulse abgeben. Das BCI muss dagegen über eine größere Fläche die Impulse auf der Hirnoberfläche auffangen, was das Infektionsrisiko erhöht.
Die bisherigen Erfahrungen, die Daniel Rubin vom Massachusetts General Hospital in Boston und Mitarbeiter jetzt vorstellen, sind vielversprechend.
In den Jahren 2004 bis 2021 wurde an 5 US-Zentren (Universitäten Stanford und Davis in Kalifornien, Emory Universität in Atlanta, VA Medical Center in Providence/Virginia und am Massachusetts General Hospital) bei 14 Patienten ein BrainGate der 1. und 2. Generation implantiert.
Die Patienten waren zwischen 14 und 66 Jahre alt und litten unter einer Tetraparese, die Folge von einer Rückenmarksverletzung, eines Schlaganfalls oder einer amyotrophen Lateralsklerose (ALS) war. Die Verletzung lag bei den Querschnitt- und Schlaganfallpatienten 3 bis 11 Jahre zurück. Die Diagnose der ALS war 2 bis 7 Jahre vor der Implantation gestellt worden.
Während der Dauer von 296 bis 1.994 Tagen (median 774 Tage) ist es laut Rubin nur zu 68 gerätebezogenen unerwünschten Ereignissen gekommen. Bei etwa der Hälfte (35 Fälle) waren dies Reizungen, Spannungsgefühle oder andere Veränderungen der Haut im Bereich des chirurgischen Eingriffs, die laut Rubin häufig auf eine übermäßige Pflege zurückzuführen waren. Nur 1 Patient wurde nach einer lokalisierten Hautinfektion mit oralen Antibiotika behandelt.
In mehr als 17.000 „Array“-Tagen gab es keine intrakraniellen oder tiefen Gewebeinfektionen oder gerätebedingten Infektionen, die einen Krankenhausaufenthalt, intravenöse Antibiotika oder die Entfernung des Geräts erforderlich machten. Die bisherigen Erfahrungen belegen nach Ansicht von Rubin die langfristige Sicherheit von „BrainGate“ und liefern damit die Voraussetzung für weitere klinische Studien.
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