Britische Impfkommission wegen begrenzter Impfempfehlung für 12- bis 15-Jährige in der Kritik

London – Die Entscheidung des „Joint Committee on Vaccination and Immunisation“ (JCVI), das sich gegen eine generelle Coronaimpfung von 12- bis 15-Jährigen ausgesprochen hat, ist bei britischen Experten auf Kritik gestoßen. Dem JCVI wird vorgehalten, die Gefährdung der Jugendlichen durch ein Long-COVID-Syndrom zu ignorieren und die Rolle der Kinder als Überträger zu unterschätzen.
Auch in anderen Ländern sind Impfkommissionen für Überraschungen gut. Die meisten Experten hatten erwartet, dass das JCVI, das die Gesundheitsminister im Vereinigten Königreich berät, am vergangenen Freitag ihre Impfempfehlung gegen SARS-CoV-2 auf alle Jugendlichen im Alter von 12 bis 15 Jahren ausweitet.
Stattdessen bleiben die unabhängigen Berater bei ihrem Standpunkt, dass in der Altersgruppe nur jene Gruppen geimpft werden sollten, die ein erhöhtes Risiko haben, im Fall einer Infektion schwer zu erkranken.
Das JCVI hat diese Gruppe allerdings erweitert. Bisher war nur zur Impfung von Kindern mit schweren neurologischen Behinderungen, von Kindern mit Down-Syndrom, bei schweren Abwehrschwächen und von Kindern mit tiefgreifenden Lernbehinderungen geraten worden. Jetzt sind Kinder mit hämatologischen Krebserkrankungen, Sichelzellanämie, Typ 1-Diabetes und angeborenen Herzfehlern hinzugekommen (die in der Pressemitteilung detailliert aufgezählt werden).
Eine allgemeine Impfempfehlung aller 12- bis 15-Jährigen wird mit dem Hinweis auf potenzielle myokardiale Schäden abgelehnt. Eine Myokarditis sei zwar ein äußerst seltenes unerwünschtes Ereignis. Die mittel- bis langfristigen Auswirkungen seien jedoch unbekannt. Diesem Risiko steht aus Sicht des JCVI ein sehr geringer Nutzen durch den Impfschutz gegenüber. Denn das Risiko, im Fall einer Infektion mit SARS-CoV-2 an COVID-19 zu erkranken, sei für 12- bis 15-Jährige sehr gering.
Nathalie MacDermott vom King’s College London kritisiert mit Blick auf die CLoCK-Studie, dass das JCVI das Risiko eines Long COVID bei den Kindern nicht bedacht habe. Während nur schätzungsweise 1 von 20.000 geimpften Jugendlichen eine Myokarditis entwickele, würden 1 von 7 Patienten nach einer akuten Erkrankung an einem Long COVID leiden. Hospitalisierung und Tod seien nicht die einzigen Kriterien, die bei der Abschätzung der Risiken bedacht werden sollten, findet MacDermott.
Simon Clarke von der University of Reading weist darauf hin, dass Kinder nicht nur zum Schutz ihrer eigenen Gesundheit geimpft werden. So könnten Kinder ab einem Alter von 4 Jahren gegen Grippe geimpft werden. Dies geschehe in erster Linie, um eine Übertragung und damit Krankheiten und Todesfälle bei Erwachsenen zu verhindern.
Kinder würden in erster Linie gegen Röteln geimpft, um eine Infektion von schwangeren Frauen zu verhindern, da das Virus eine Fehlgeburt auslösen könne oder die Kinder mit Seh- oder Hörproblemen sowie Hirn- oder Herzschäden geboren würden. Jungen würden heute vor allem gegen humane Papillomaviren geimpft, um ihre späteren Sexualpartnerinnen vor einem Zervixkarzinom zu schützen.
Der Impfstoffexperte Peter English aus Horsham/England findet, dass Kinder indirekt von einer Impfung profitieren, wenn diese die Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen früher beende. Die Impfung von Kindern würde sekundäre Erkrankungen bei Lehrern, Eltern oder Betreuern verhindern und die Auswirkungen minimieren, die der Ausfall des Schulunterrichts auf die Entwicklung der Kinder haben könne.
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