Cave: Metamizol kann die Leber schädigen

Bonn – Das Analgetikum Metamizol, dessen Verordnungen in Deutschland zuletzt stark angestiegen sind, kann Leberschäden verursachen. Nachdem ein Zentrum kürzlich über vermehrte Fälle berichtet hat, müssen die Hersteller jetzt in einem Rote-Hand-Brief vor dem Risiko warnen.
Metamizol wird seit fast 100 Jahren als Analgetikum eingesetzt. Das Präparat Novalgin gehörte lange Zeit zu den häufigsten Schmerzmitteln. Dies änderte sich, als bekannt wurde, dass Metamizol eine Agranulozytose auslösen kann. In Skandinavien, Großbritannien und Nordamerika wurde Metamizol vom Markt genommen.
In Deutschland wurden nur Kombinationspräparate mit anderen Mitteln verboten. Als Monopräparat ist Metamizol weiterhin erhältlich, wenn auch seit 1987 nur noch mit Rezept. Im Nachbarland Polen ist Metamizol weiter rezeptfrei im Handel.
Metamizol wird bei akuten starken Schmerzen nach Verletzungen oder Operationen, bei Koliken, Tumor- oder sonstigen starken Schmerzen eingesetzt sowie bei hohem Fieber, wenn andere Mittel keine ausreichende Wirkung zeigen.
Die Gefahr einer Agranulozytose scheint allerdings langsam aus dem kollektiven Bewusstsein verschwunden zu sein. Die Verordnungszahlen in Deutschland sind seit dem Jahr 2000 von 32 Millionen auf 225 Millionen definierte Tagesdosen in 2018 angestiegen. Die Folge waren nicht nur erneute Meldungen von Agranulozytosen, die tödlich enden können.
Hinzugekommen sind Berichte über arzneimittelbedingte Leberschäden („drug-induced liver injury“, DILI). Ein Team um Dr. Marcial Sebode vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) berichtete kürzlich im British Journal of Clinical Pharmacology (2020; DOI: 10.1111/bcp.14254), dass am dortigen Zentrum Metamizol nach Phenprocoumon die zweithäufigste DILI-Ursache ist.
In 17 der 23 Fälle wurde eine Leberbiopsie durchgeführt. Bei den meisten Patienten wurde eine mittelschwere bis schwere Leberentzündung festgestellt, bei einigen lag bereits eine schwere zentrilobuläre Nekrose vor. Bei 2 Patienten kam es zum akuten Leberversagen, die eine Lebertransplantation erforderlich machte. Eine Kausalität wurde bei 4 Patienten durch eine erneute Exposition gestützt.
Eine Datenbanksuche nach Metamizol-induzierten Leberschäden in der Datenbank der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) ergab etwa 300 Berichte über eine vermutete metamizolinduzierte DILI in Europa.
Der Pharmakovigilanz-Ausschuss (PRAC) der EMA warnt nach einer Überprüfung jetzt vor dem Risiko von Leberschäden. Dies hat in Deutschland einen Rote-Hand-Brief der derzeit zehn Anbieter ausgelöst. Danach treten die Leberschäden wenige Tage bis Monate nach Behandlungsbeginn auf.
Zu den Anzeichen und Symptomen gehört ein Anstieg der Leberenzyme, der mit oder ohne einen Ikterus einhergeht. Häufig bestanden andere Zeichen einer Arzneimittelüberempfindlichkeit wie Hautausschlag, Blutbildveränderungen, Fieber und Eosinophilie oder die Patienten wiesen Merkmale einer Autoimmunhepatitis auf.
Der Pathomechanismus des metamizolbedingten Leberschadens ist nach Einschätzung des PRAC nicht eindeutig geklärt. Aus den verfügbaren Daten ergäben sich jedoch Hinweise auf einen immunallergischen Mechanismus, heißt es in dem Rote-Hand-Brief. Die genaue Häufigkeit der Störung sei nicht bekannt. Angesichts der fast 100-jährigen Anwendung von Metamizol wird ein sehr seltenes Auftreten vermutet.
Der Rote-Hand-Brief warnt davor, dass arzneimittelbedingte Leberschäden potenziell schwerwiegende Folgen haben können einschließlich eines akuten Leberversagens mit der Notwendigkeit zur Lebertransplantation.
Es sei deshalb sehr wichtig, dass ein möglicher Leberschaden frühzeitig erkannt wird. Patienten sollten daher auf Symptome eines möglichen Leberschadens achten, und bei einem Verdacht die Einnahme von Metamizol stoppen und einen Arzt aufsuchen.
Dem medizinischen Fachpersonal wird empfohlen, die Leberfunktion bei Patienten mit Anzeichen und Symptomen, die auf eine Leberschädigung hinweisen, zu überwachen. Metamizol sollte nicht erneut angewendet werden, wenn zuvor unter der Behandlung mit Metamizol ein Leberschaden aufgetreten ist, für den keine andere Ursache gefunden werden konnte.
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