Medizin

„Compassionate Use“: Erste positive Erfahrungen mit Remdesivir bei COVID-19

  • Montag, 13. April 2020

Los Angeles – Von den ersten COVID-19-Patienten, die bis Anfang März im Rahmen von Heilversuchen mit dem Virustatikum Remdesivir behandelt wurden, haben die meisten die Erkrankung überstanden. Bei zwei Dritteln kam es laut einer Publikation im New Eng­land Journal of Medicine (2020; doi: 10.1056/NEJMoa2007016) zu einer klinischen Besse­rung. Es gab aber auch Todesfälle.

Das Virostatikum Remdesivir, das die Replikation von Coronaviren und einer Reihe ande­rer RNA-Viren hemmt, ist nach Einschätzung der meisten Experten am ehesten in der Lage, den Verlauf einer COVID-19-Erkrankung günstig zu beeinflussen. Das Mittel hatte in einer randomisierten Studie an Ebolapatienten zwar nicht die erhoffte Wirkung erzielt, sich jedoch weitgehend als sicher erwiesen.

Der Hersteller Gilead Sciences stellt Remdesivir seit dem 25. Januar für Heilversuche („Compassionate Use“) zur Verfügung. Bisher wurden welt­weit mehr als 1.800 Patienten behandelt. Die Effektivität von Remdesivir wird außer­dem in mehreren randomisierten klinischen Studien untersucht. Erste Ergebnisse werden in einigen Wochen vorliegen.

Jonathan Grein vom Cedars-Sinai Medical Center in Los Angeles und Mitarbeiter haben jetzt die Erfahrungen zu 53 Patienten (darunter 2 aus Deutschland) vorgestellt, deren Behandlung vor dem 7. März begonnen wurde.

Alle Patienten erfüllten die Bedingungen für das „Compassionate Use“-Programm des Her­stellers (bestätigte Infektion mit SARS-CoV-2, Sauerstoffsättigung von 94 % oder weniger oder Sauerstoffbehandlung). Sie waren vor Beginn der Behandlung seit median 12 Tagen symptomatisch. Insgesamt 34 Patienten wurden mechanisch beatmet, davon erhielten 4 eine extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO).

Weitere 7 Patienten erhielten eine nicht-invasive Beatmung und 10 Patienten Sauerstoff über eine Nasensonde. Die übrigen 2 Patienten atmeten normale Umgebungsluft. Drei Viertel der Patienten waren männlich, ein Drittel über 70 Jahre alt. Zwei Drittel hatten Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck (25 %), Diabetes 17 %), Hyperlipidämie (11 %) und/oder Asthma (11 %).

Die Patienten wurden nach demselben Schema behandelt wie in der PALM-Studie bei Ebola-Patienten: Nach einer intravenösen Anfangsdosis von 200 mg Remdesivir erhielten sie täglich eine Infusion mit 100 mg Remdesivir.

Wie Grein berichtet, hat sich median 18 Tage nach der ersten Dosis der Zustand bei 36 von 53 Patienten (68 %) gebessert. Bei acht Patienten (15 %) kam es jedoch zu einer weiteren Verschlechterung, von denen 7 Patienten (13 %) gestorben sind.

Unter den Patienten, die sich erholt haben, waren alle 12 Patienten, die zu Beginn der Behandlung ohne eine Beatmung auskamen. Auch 5 von 7 Patienten, die nicht-invasiv beatmet wurden, waren zuletzt auf dem Weg der Besserung.

Von den 30 Patienten, die vor Beginn der Behandlung mechanisch beatmet wurden, konnten 17 (57 %) extubiert werden. Bei 3 von 4 Patienten (75 %) konnte die ECMO beendet werden. Insgesamt 25 von 53 Patienten (47 %) konnten mittlerweile aus der Klinik entlassen werden.

Eine Besserung trat häufiger bei Patienten auf, die vor Beginn der Behandlung nicht beat­met wurden (Hazard Ratio auf eine Veschlechterung: 0,33; 95-%-Konfidenzintervall 0,16 bis 0,68) oder jünger als 50 Jahre waren (Hazard Ratio: 0,29; 0,11 bis 0,74).

Sieben Patienten (13 %) sind in der Klinik gestorben. Darunter waren 6 von 34 Patienten (18 %), die invasiv beatmet wurden (oder bei denen eine ECMO durchgeführt wurde) und 1 von 19 Patienten (5 %), die nicht-invasiv beatmet wurden.

Ein erhöhtes Mortalitätsrisiko hatten ältere Patienten (Hazard Ratio bei einem Alter über 70 Jahre: 11,34; 1,36 bis 94,17) und Patienten mit einem erhöhten Serumkreatinin als Zeichen einer eingeschränkten Nierenfunktion (Hazard Ratio pro mg/dl Serumkreatinin: 1,91; 1,22 bis 2,99).

Die Behandlung bestätigte die Sicherheit von Remdesivir. Wichtigste Nebenwirkung war ein Anstieg der Leberenzyme (ALT und/oder AST) bei 12 von 53 Patienten (23 %). Zu den Kontraindikationen für Remdesivir gehört ein Anstieg von ALT und/oder AST auf mehr als das fünffache des oberen Grenzwerts.

Da die Studie keine Vergleichsgruppe hatte, ist die Aussagekraft begrenzt. Die Mortalität von 13 % scheint jedoch niedriger zu sein als bei vergleichbaren Fällen. In China sind zwischen 17 und 78 % der Intensivpatienten gestorben.

Endgültige Klarheit zur Wirksamkeit von Remdesivir wird von den laufenden randomi­sier­ten Studien erwartet. Eine der beiden randomisierten Studien („SIMPLE“) in China musste allerdings vorzeitig beendet werden, weil die Zahl der schweren COVID-19-Erkrankungen dort zurückgegangen ist.

Die andere Studie an Patienten mit mittelschweren Erkrankungen wird laut Hersteller fortgesetzt. Die Ergebnisse einer dritten, weltweiten Studie unter Leitung des US-Natio­nal Institute of Allergy and Infectious Diseases werden für Mai erwartet.

rme

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