Medizin

COVID-19: Azithromycin bleibt in Studie ohne Wirkung

  • Dienstag, 15. Dezember 2020
/somemeans, stock.adobe.com
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Oxford – Das Antibiotikum Azithromycin, in das zu Beginn der Pandemie vor allem in Kombination mit Hydroxychloroquin hohe Hoffnungen gesetzt wurden, hat sich in der RECOVERY-Studie als unwirksam erwiesen, wie die jetzt in medRxiv (2020; DOI: 10.1101/2020.12.10.20245944) vorveröffentlichten Er­gebnisse zeigen. Das Scheitern von Hydroxychloroquin war bereits im Juni klar gewesen.

Azithromycin gehörte im März zu einer von 10 potentiellen Behandlungen, deren Nutzen in der briti­schen RECOVERY-Studie untersucht wurde. Der Grund waren einmal die hohen Erwartungen, die zu Beginn der Pandemie in das Antibiotikum gesetzt wurden.

Französische Tropenmediziner hatten über ungewöhnlich gute erste Erfahrungen berichtet, vor allem wenn Azithromycin zusammen mit Hydroxychloroquin eingesetzt wurde. Zum anderen gab es durchaus ernstzunehmende Hinweise, nach denen das Makrolid-Antibiotikum „immunmodulatorische“ Eigen­schaf­ten hat, die sich etwa bei der Influenza günstig ausgewirkt haben sollen (Die Leitlinien empfehlen Anti­biotika bei der Influenza erst bei Hinweisen auf eine bakterielle Superinfektion).

In den Folgemonaten gehörte Azithromycin zusammen mit Hydroxychloroquin/Chloroquin oder auch alleine zu den am häufigsten eingesetzten Medikamenten bei COVID-19.

In den letzten Monaten ist der Optimismus merklich abgeflaut, vor allem seit eine frühere Auswertung der RECOVERY-Studie bereits im Juni keine Vorteile für die Behandlung mit Hydroxychloroquin zeigen konnte. Die jetzt von Peter Horby von der Universität Oxford vorgestellten Ergebnisse zeigen, dass auch Azithromycin keinen Stellenwert in der Behandlung von COVID-19 hat, zumindest nicht unter den Einschlusskriterien der Studie, die relativ weit gefasst waren.

In die Studie wurden alle Patienten aufgenommen, die wegen COVID-19 in einer Klinik behandelt wurden und bei denen keine Kontraindikationen für den Einsatz von Azithromycin bestanden (etwa ein verlängertes QTC-Intervall oder eine bekannte Überempfindlichkeit gegenüber Makroliden).

Seit dem 7. April wurden 2.282 Patienten auf eine Behandlung mit Azithromycin und 5.182 Patienten auf eine Standardbehandlung randomisiert. Der primäre Endpunkt der Studie, die Sterblichkeit in den ersten 28 Tagen, trat in beiden Gruppen bei jeweils 19 % der Patienten auf. Das relative Risiko von 1,00 schließt mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,90 bis 1,12 weitgehend aus, dass ein Vor- oder Nachteil der Behandlung übersehen wurde.

Auch in sämtlichen sekundären Endpunkten wie der Dauer der Krankenhausbehandlung, der Notwen­digkeit einer invasiven Beatmung oder einer Dialyse waren keine Unterschiede zwischen den beiden Gruppen erkennbar. Die Forscher haben wohl aufgrund des mehr oder weniger eindeutigen Nullergeb­nisses auf eine Sensitivitätsanalyse verzichtet, in der normalerweise nach Gruppen von Patienten gesucht wird, in denen die Behandlung einen Vorteil bieten könnte.

Die Ergebnisse bedeuten nicht, dass bei Patienten mit COVID-19 grundsätzlich auf den Einsatz von Antibiotika verzichtet werden sollte. Diese gelten auch bei Pneumonien als indiziert, sobald es Hinweise auf eine mögliche Superinfektion gibt. Tatsächlich haben in der RECOVERY-Studie mehr als 75 % der Patienten andere Antibiotika erhalten.

Dies stellt die Ergebnisse der Studie jedoch nicht infrage, denn das Ziel der Azithromycingabe war nicht die Bekämpfung von bakteriellen Infektionen, sondern die Verbesserung der Prognose durch eine „immunmodulatorische“ Wirkung, für die die Studie letztlich keine Beweise gefunden hat.

rme

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