COVID-19: Genvariante im Testosteronstoffwechsel führt bei Männern zu schwerem Krankheitsverlauf

Hamburg – Eine häufige Genvariante, die den Abbau von Testosteron durch das Enzym CYP19A1 fördert, führt bei Männern zu einem schweren Verlauf von COVID-19, was bei Hamstern durch eine Behandlung mit dem CYP19A1-Inhibitor Letrozol verhindert wurde.
Die in Cell Reports Medicine (2023; DOI: 10.1016/j.xcrm.2023.101152) publizierten Ergebnisse weisen auf einen Therapieansatz für schwer erkrankte Männer hin, der allerdings noch in klinischen Studien überprüft werden müsste.
Männer erkranken nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 häufiger schwer an COVID-19 als Frauen. Das gilt insbesondere für Männer mit niedrigen Testosteronwerten. Dies hat ein Team um Gülşah Gabriel vom Leibniz-Institut für Virologie in Hamburg veranlasst, in den Exomdaten von 2.866 mit SARS-CoV-2 infizierten Patienten nach genetischen Varianten zu suchen, die den Stoffwechsel von Testosteron beeinflussen. Sie stießen dabei auf eine Punktmutation im Gen für das Enzym CYP19A1, das die Umwandlung von Testosteron nach Estradiol katalysiert.
Der Aminosäureaustausch von Threonin nach Methionin an Position 201 ist bekannt dafür, dass er die Aktivität von CYP19A1 steigert und dadurch den Testosteronspiegel senkt. Dies hatte offenbar einen ungünstigen Einfluss auf den Verlauf einer Infektion mit SARS-CoV-2. Männer mit der Variante Thr201Met erkrankten doppelt so häufig schwer an COVID-19. Die Odds Ratio von 1,96 war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,2 bis 3,16 signifikant.
Hinzu kommt, dass die Aktivität von CYP19A1 bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 gesteigert ist, was den stärkeren Abfall der Testosteronwerte erklärt, zu dem es bei Männern im Verlauf von COVID-19 kommt. Die Bildung des Enzyms war im Lungengewebe von Männern, die an COVID-19 gestorben waren, um den Faktor 10 bis 50 gesteigert. Die Forscher vermuten, dass dies für den tödlichen Ausgang der Erkrankung mit verantwortlich war.
Sie überprüften dies in einer Therapiestudie an Hamstern, die sie mit dem CYP19A1-Inhibitor Letrozol behandelten. Letrozol konnte eine Infektion mit SARS-CoV-2 nicht verhindern, und die Tiere erkrankten zunächst genauso heftig wie ohne Behandlung.
Nach etwa einer Woche kam es dann jedoch zu einer beschleunigten Erholung. Die Untersuchung der Lungen zeigte, dass weniger Alveolen kollabiert waren und deren Wände nicht verdickt waren. Letrozol scheint vor allem einen fibrotischen Umbau der Lungen zu verhindern.
Letrozol ist ein zugelassenes Medikament, das seit vielen Jahren zur Nachbehandlung eines Östrogenrezeptor-positiven Mammakarzinoms eingesetzt wird. Es soll dort die Bildung von Estradiol verhindern, das ein Wachstumsfaktor für Brustkrebszellen ist. Ein Nebeneffekt ist ein Anstieg des Testosterons. Deshalb wird Letrozol gelegentlich auch zur Behandlung eines Testosteronmangels bei Männern eingesetzt.
Damit wären Voraussetzungen für klinische Studien gegeben. Dort könnte untersucht werden, ob Letrozol (oder ein anderer Aromatasehemmer) Männer nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 vor einem schweren Verlauf und den Spätschäden von COVID-19 schützen könnte. Ob es zu einer solchen Studie kommt, bleibt abzuwarten.
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