COVID-19: Hydroxychloroquin erweist sich in Studie erneut als wirkungslos

New York − Die hohen Erwartungen in das Malariamittel Hydroxychloroquin haben einen neuen Dämpfer erhalten. An einer größeren US-Klinik wurden die Behandlungen nach enttäuschenden Erfahrungen, die jetzt im New England Journal of Medicine (2020; DOI: 10.1056/NEJMoa2012410) vorgestellt wurden, eingestellt.
Nach Erfolgsberichten aus China und einer kleinen unkontrollierten Studie aus Frankreich hatten die Ärzte am Irving Medical Center in Manhattan Anfang März begonnen, COVID-19-Patienten mit Hydroxychloroquin zu behandeln. Da der öffentliche Druck hoch war, geschah dies nicht in einer randomisierten Studie, die den Stellenwert des Malaria-Medikaments hätte klären können.
Den Ärzten wurde vielmehr freigestellt, welche Patienten sie behandeln. Sie setzten das Mittel eher bei Patienten mit Vorerkrankungen wie Diabetes oder Hypertonie ein, und die Patienten waren schwerer erkrankt als die Patienten, die kein Hydroxychloroquin erhielten.
Der Pao2/Fio2-Quotient, ein Maß für die Lungenfunktion, war stärker abgefallen (223 gegenüber 360 in der Kontrollgruppe). Das C-reaktive Protein (125 versus 76 mg/l) und der Ferritinwert (785 versus 481) waren deutlich höher.
Bis zum 8. April 2020 wurden insgesamt 811 Patienten mit Hydroxychloroquin behandelt. Es dürfte sich damit um eine der weltweit größten Behandlungsserien handeln. Wie das Team um Neil Schluger berichtet, sind trotz der Behandlung mit Hydroxychloroquin 262 Patienten (32,3 %) an COVID-19 gestorben oder werden weiter maschinell beatmet.
Von den 565 Patienten, die nicht mit Hydroxychloroquin behandelt wurden, haben 84 Patienten (14,9 %) diesen Endpunkt erreicht. Schluger ermittelt eine Hazard Ratio von 2,37 mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 1,84 bis 3,02. Die Patienten hatten demnach ein mehr als doppelt so hohes Risiko auf einen ungünstigen Ausgang.
Die Klinik hat aufgrund dieser Erfahrungen die Empfehlung zum Einsatz von Hydroxychloroquin zurückgezogen, auch wenn eine Multivariat-Analyse die Erfahrungen relativiert. Nach Berücksichtigung von Patienteneigenschaften, Lungenerkrankungen und Laborwerten betrug die Hazard Ratio 1,00 (0,76 bis 1,32).
Demnach hat Hydroxychloroquin den Patienten nicht geschadet, allerdings auch nicht genutzt. Verschiedene Propensity-Score-Analysen, die versuchen, nur Patienten mit gleichen Eigenschaften gegenüber zu stellen, kamen zu dem gleichen Ergebnis (Hazard Ratio 1,04; 0,82 bis 1,32). Auch für den zusätzlichen Einsatz des Antibiotikums Azithromycin, der in der französischen Studie die Ergebnisse verbessert hatte, war kein Nutzen erkennbar (Hazard Ratio 1,03; 0,81 bis 1,31).
Die Erfahrungen am Irving Medical Center und an anderen Kliniken werden vermutlich dazu führen, dass Hydroxychloroquin nicht mehr zur Behandlung von COVID-19 eingesetzt wird. Schluger fordert, dass der mögliche Nutzen (und auch die potentiellen Risiken, die sich vor allem aus einer QT-Verlängerung im EKG ergeben) in einer randomisierten Studie überprüft werden sollten.
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