COVID-19: Inhalatives Steroid bei ambulanten Patienten erneut ohne Wirkung

Durham/North Carolina – Während die Behandlung mit oralem oder intravenösem Dexamethason bei hospitalisierten Patienten mit COVID-19 zum Standard gehört, hat sich eine inhalative Behandlung mit Steroiden bei leichten Erkrankungen nicht durchgesetzt.
In der Studie ACTIV-6 hat Fluticason die Erholung erneut nicht beschleunigen können. Nach den jetzt im New England Journal of Medicine (2023; DOI: 10.1056/NEJMoa2209421) publizierten Ergebnissen ist ein Anstieg von Komplikationen nicht ganz auszuschließen.
Bei COVID-19 kommt es häufig zu einer überschießenden Immunreaktion, die dem Körper mehr schadet als nutzt. Eine Behandlung mit Steroiden kann dem gegensteuern. Die RECOVERY-Studie hatte bereits im Juni 2020 gezeigt, dass eine niedrig-dosierte Behandlung mit Dexamethason die Überlebenschancen von hospitalisierten Patienten verbessern kann. Es war damals die erste wirksame Behandlung bei COVID-19.
Bei leichten Erkrankungen stehen entzündliche Reaktionen weniger im Vordergrund, und die Versuche, den Verlauf durch die Behandlung mit inhalativen Steroiden günstig zu beeinflussen, haben nicht zu eindeutigen Ergebnissen geführt. In 2 offenen randomisierten Studien (PRINCIPLE und STOIC) kam es unter der Anwendung von inhalativem Budesonid über 14 Tage zwar zu einer schnelleren Genesung und tendenziell auch zu einer Verringerung von Krankenhausaufenthalten oder Todesfällen.
In 3 randomisierten Studien (CONTAIN, COVERAGE und Clemency et al.), von denen 2 Doppelblindstudien waren, konnte die Erkrankungsdauer mit inhaliertem Ciclesonid (in einer Dosis von 640 µg pro Tag) dagegen nicht verkürzt werden.
Die Leitlinien raten deshalb von einem Einsatz von Kortikoiden bei leichten oder mittelschweren Erkrankungen ab – zumal mit Nirmatrelvir/Ritonavir und Molnupiravir oder auch Remdesivir effektive Virustatika zu Verfügung stehen (während die Antikörperpräparate gegen die aktuellen Omikron-Varianten nicht mehr wirken).
Diese Einschätzung wird durch die jetzt publizierten Ergebnisse der Studie ACTIV-6 bestätigt. An 91 Zentren in den USA waren 1.277 ambulante COVID-19-Patienten im Alter von median 45 Jahren, deren Symptombeginn nicht länger als 7 Tage zurücklag, auf eine 14-tägige Behandlung mit inhalativem Fluticason (200 µg/Tag) oder Placebo randomisiert. Fluticason ist etwa 4-fach stärker als Budesonid, so dass die Dosierung von Fluticason in ACTIV-6 mit der Dosis von 800 µg Budesonid in PRINCIPLE und STOIC vergleichbar ist.
Primärer Endpunkt der Studie ACTIV-6 war die Dauer bis zur vollständigen Erholung (definiert als 3. aufeinander folgender Tag ohne Symptome).
Wie das Team um Susanna Naggie vom Duke Clinical Research Institute in Durham/North Carolina berichtet, hatten sich die Patienten in der Fluticason-Gruppe im Durchschnitt nach 11,2 Tagen erholt gegenüber 11,3 Tagen in der Placebogruppe.
Die Hazard Ratio von 1,01 war selbstverständlich nicht signifikant und das 95-%-Konfidenzintervall von 0,91 bis 1,12 schließt weitgehend aus, dass ein Vor- oder Nachteil übersehen wurde.
Die Zahl der Hospitalisierungen, der wichtigste sekundäre Endpunkt der Studie, war mit 3 Patienten (0,5 %) in beiden Gruppen identisch (Hazard Ratio 0,94; 0,19-4,68). Todesfälle waren nicht zu beklagen.
Dagegen kam es in der Fluticason-Gruppe mit 24 Fällen (3,7 %) häufiger zu Besuchen in Notfallambulanzen mit oder ohne Hospitalisierung als in der Placebogruppe mit 13 Fällen (2,1 %). Die Hazard Ratio von 1,9 war mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,8 bis 3,5 zwar nicht signifikant. Dem potenziellen Risiko stünde jedoch kein Nutzen gegenüber, so dass die Ergebnisse keine Argumente für den Einsatz von inhalativen Steroiden bei ambulanten Patienten liefern.
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