COVID-19: WHO erneuert Empfehlungen für mildere Verläufe

Hamilton/Ontario – Die Weltgesundheitsorganisation hat neue Empfehlungen für Patienten mit milden Verläufen von COVID-19 veröffentlicht. Im inzwischen 14. Update der „Living Guideline“ wird der Einsatz von Nirmatrelvir/Ritonavir für Patienten mit hohem und mittlerem Hospitalisierungsrisiko empfohlen.
Remdesivir und Molnupiravir sollten nur bei Patienten mit einem hohen Risiko einer Hospitalisierung eingesetzt werden. Neu aufgenommen wurde das in China hergestellte „orale Remdesivir“ VV116, dessen Einsatz jedoch vorerst auf klinische Studien beschränkt bleiben sollte (BMJ 2020; DOI: 10.1136/bmj.m3379).
Die meisten Erkrankungen mit COVID-19 verlaufen heute milde. Eine medikamentöse Behandlung ist nur dann notwendig, wenn das Risiko auf eine Hospitalisierung besteht, die durch die Behandlung verhindert werden soll.
Die Leitlinie, die von einem internationalen Team um Reed Siemieniuk und Romina Brignardello-Petersen von der McMaster University in Hamilton/Kanada (deutsche Beteiligung: Berliner Charité) erstellt wurde, unterscheidet jetzt drei Kategorien „hoch“, „mittel“ und „niedrig“.
Zu den Patienten mit einem hohen Risiko (6 %) einer Krankenhauseinweisung gehören Patienten mit diagnostizierten Immunschwächesyndromen, Patienten, die sich einer Organtransplantation unterzogen haben und Immunsuppressiva erhalten, sowie Patienten mit einer Autoimmunerkrankung, die Immunsuppressiva erhalten.
Ein mittleres Risiko (3 %) einer Krankenhauseinweisung liegt bei Personen über 65 Jahre vor sowie bei Adipositas, Diabetes und/oder chronischer Herz-Lungen-Erkrankung, chronischer Nieren- oder Lebererkrankung, aktiver Krebserkrankung, Personen mit Behinderungen und Personen mit Begleiterkrankungen einer chronischen Erkrankung.
Die übrigen Patienten fallen unter die dritte Kategorie mit einem niedrigen Risiko (0,5 %) auf eine Krankenhauseinweisung.
Die Empfehlungen der Leitlinie für den Einsatz der Medikamente bei milden Verläufen richten sich nach diesen drei Kategorien. Der orale Protease Inhibitor Nirmatrelvir wird weiter für Patienten mit hohem Hospitalisierungsrisiko empfohlen. Neu ist die Empfehlung für Patienten mit mittlerem Hospitalisierungsrisiko.
Der ebenfalls oral verfügbare Wirkstoff Molnupiravir wird nur noch für Patienten mit einem hohen Risiko auf eine Hospitalisierung empfohlen. Grundlage sind Studiendaten, die bei diesen Patienten einen relevanten Rückgang der Hospitalisierungen und auch der Todesfälle belegen. Es gibt allerdings Sicherheitsbedenken gegen Molnupiravir, die auf dem Wirkungsmechanismus beruhen.
Molnupiravir erzeugt willkürliche Mutationen, die die Replikation der Viren verhindern sollen. Es können dabei aber auch neue Virus-Varianten entstehen, die die weitere Entwicklung der Pandemie ungünstig beeinflussen könnten. Außerdem gibt es präklinische Hinweise auf eine Krebsentstehung.
Die Leitlinie rät deshalb dazu, Nirmatrelvir/Ritonavir oder Remdesivir dem Einsatz von Molnupiravir vorzuziehen. Das Virustatikum Remdesivir muss allerdings intravenös gegeben werden, was bei Patienten mit mildem Verlauf der Erkrankung eine gewisse Hemmschwelle darstellt.
Die Leitlinie beschränkt den Einsatz von Remdesivir bei milden Erkrankungen auf Patienten mit einem hohen Hospitalisierungsrisiko. Remdesivir sei hier eine Option für Patienten, für die Nirmatrelvir/Ritonavir oder Molnupiravir nicht infrage kommen.
Eine oral verfügbare Formulierung würde die Schwelle für den Einsatz von Remdesivir sicherlich senken. Der chinesische Hersteller Junshi Biosciences aus Shanghai hat mit VV116 ein solches Medikament entwickelt und erfolgreich in einer Phase-3-Studie getestet.
Die Leitlinien-Autoren haben jedoch noch Bedenken, „da ein hohes Maß an Unsicherheit hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf patientenrelevante Ergebnisse von höchster Bedeutung“ bestehe. Der Einsatz von VV116 sollte deshalb vorerst auf klinische Studien beschränkt bleiben. Das Mittel ist ohnehin in westlichen Ländern nicht zugelassen.
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