Medizin

COVID-19: PAMS-Personen sind wichtige Triebfeder der Epidemie

  • Mittwoch, 26. Mai 2021
/picture alliance, Hauke-Christian Dittrich
/picture alliance, Hauke-Christian Dittrich

Berlin – Prä-symptomatische, asymptomatische oder nur mild symptomatische (PAMS) Personen sind vermutlich die wichtigsten Verbreiter von SARS-CoV-2 in der Gesellschaft. Dies zeigen Untersuchungen an mehr als 25.000 Berlinern, deren Abstriche auf die Viruslast sowie auf ihre Infektiosität in Zellkul­turen untersucht wurden.

Die in Science (2021; DOI: 10.1126/science.abi5273) vorgestellten Ergebnisse erklären, warum die Epi­demie ohne strenge Maßnahmen zur sozialen Distanz und Maskenpflicht nicht zu stoppen war und warum B.1.1.7 diese Notwendigkeit unterstrichen hat.

In Testzentren in Berlin und Umgebung sind zwischen dem 24. Februar und dem 2. April bei 415.935 Personen fast 1 Million PCR-Tests an Abstrichen aus Nase oder Rachenraum durchgeführt worden. Bei 25.381 Personen (6,1 %) wurde SARS-CoV-2 nachgewiesen.

Die hohe Anzahl der Analysen, deren Ergebnisse ein Team um Christian Drosten von der Berliner Charité in den letzten Wochen ausgewertet hat, ermöglichen neue Einblicke in den Verlauf der Infektion bei einzelnen Personen und deren Infektiosität in verschiedenen Altersgruppen und in Abhängigkeit vom Schweregrad der Erkrankung.

Das Forscherteam hat nicht nur die Viruslast ermittelt – also die Anzahl der Erbgutkopien von SARS-CoV-2 in der PCR-Probe. Es wurde teilweise auch untersucht, ob die Viren aus den Abstrichen in der Lage waren, im Labor Zellkulturen zu infizieren, was ein sicherer Hinweis auf eine Infektiosität ist als der bloße Nachweis der Gene im Abstrich.

Zu den Erkenntnissen gehört, dass PAMS-Personen, also Menschen die sich (noch) nicht krank fühlen oder bei milden Symptomen keine Infektion bei sich vermuten, teilweise höhere Viruslasten hatten als Patienten, die wegen einer schweren COVID-19 im Krankenhaus behandelt wurden. Dies gilt für PAMS in allen Altersgruppen und vermutlich auch für Kinder. Im Schnitt enthielten die Rachenabstriche rund 2,5 Millionen Kopien der SARS-CoV-2-Gene.

Bei den jüngsten Kindern im Alter bis zu 5 Jahren wurden zwar im Mittel nur 800.000 Kopien im Abstrich gefunden, Drosten glaubt jedoch nicht, dass dies auf eine geringere Infektiosität der Kleinsten hindeu­tet. Der Experte gibt zu bedenken, dass bei Kindern in der Regel kleinere Abstrichtupfer benutzt werden, die deutlich weniger Probenmaterial für die PCR-Testung einbringen.

Außerdem würden bei den Kindern häufig statt der schmerzhaften tiefen Nasenrachenabstriche die ein­fachen Rachenabstriche gemacht, in denen sich in der Regel deutlich weniger Viren befinden. Dies deutet darauf hin, dass alle Menschen, wenn sie infiziert sind, das Virus an andere Menschen weiter­geben können. Dafür sprechen auch die Ergebnisse der Labortests. In allen Altersgruppen gelang es in etwa 35 % der Fälle, Zellkulturen mit den Viren aus den Abstrichen zu infizieren.

Bei 1.533 Abstrichen wurde die britische Variante B.1.1.7 nachgewiesen. Die Viruslast war dort im Schnitt 10-fach höher als in Abstrichen mit dem Wildtyp von SARS-CoV-2. Die Laboruntersuchungen deuten sogar auf eine 2,6-fach höhere Infektiosität hin. Dieser Befund liefert eine plausible Erklärung für die rasche Ausbreitung der Variante B.1.1.7, die mittlerweile auch in Deutschland das Infektions­geschehen bestimmt.

Eine Zeitreihenanalyse bei den Personen mit mehreren positiven Abstrichen bestätigte frühere Vermu­tungen, wonach die Infektiosität früh ansteigt. Nach den Berechnungen der Forscher vergehen vom Beginn des Virusnachweises bis zum Gipfel der Viruslast nur 4,3 Tage.

Der Gipfel der Viruslast geht dem Auftreten der ersten Symptome – sofern es überhaupt dazu kommt – um etwa 1 bis 3 Tage voraus. In dieser Zeit können die Infizierten das Virus unbemerkt weitergeben. Die Gefahr steigt mit der Viruslast. Einige Infizierte sind besonders effiziente Überträger, weil sie deutlich mehr Viren ausscheiden.

Die Forscher schätzen den Anteil dieser Superspreader auf etwa 8 %. Es handelt sich dabei keineswegs nur um schwer erkrankte Personen. Der Anteil der potenziellen Superspreader unter den PAMS-Personen lag in der Berliner Kohorte bei 36 %, also bei etwa 1/3, und es handelte sich dabei zumeist um jüngere Menschen (Durchschnittsalter 37,6 Jahre).

Die Daten bestätigen laut Drosten die in epidemiologischen Studien gemachte Beobachtung, nach der nur eine Minderheit der Infizierten für den größten Teil der Übertragungen verantwortlich ist. Dass diese Personen in der Menge der Infizierten nicht zu identifizieren sind, mache klar, warum Maßnahmen wie Abstandsregeln und die Maskenpflicht für die Kontrolle der Pandemie wichtig seien.

rme

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