COVID-19: Viele Patienten haben zu Beginn der Erkrankung neurologische Symptome

Wuhan − Eine Infektion mit SARS-CoV-2 geht offenbar häufig mit neurologischen Symptomen einher, die in einer Fallserie in JAMA Neurology (2020; DOI: 10.1001/jamaneurol.2020.1127) meist schon zu Beginn der Erkrankung auftraten und manchmal sogar der Anlass für die Klinikaufnahme waren.
Eine neurologische Beteiligung war bereits im Rahmen von SARS- und MERS-Erkrankungen aufgefallen. Das erste SARS-Coronavirus war 2002/3 im Liquor und bei Autopsien auch im Gehirn gefunden worden. Bei Patienten mit COVID-19 wurden bisher keine Viren im Nervensystem nachgewiesen. Chinesische Mediziner haben in Autopsien jedoch eine Hyperämie des Gehirns und Nervenschäden beobachtet, wie ein Team um Bo Hu von der Universität für Wissenschaft und Technik (HUST) in Wuhan berichtet.
Die Forscher haben deshalb die Krankenakten von 214 Patienten ausgewertet, die zu Beginn der COVID-19-Epidemie in 3 Kliniken in Wuhan behandelt wurden. Die Patienten waren im Durchschnitt 52,7 Jahre alt. Die meisten waren mit den üblichen Symptomen einer schweren Atemwegsinfektion (Fieber und Husten) hospitalisiert worden. Bei jedem 3. Patienten (78 Patienten) hatten die Ärzte jedoch auch neurologische Symptome bemerkt.
Bei 53 Patienten (24,8 %) waren dies zentralnervöse Symptome wie Schwindelgefühle (36 Patienten, 16,8 %) oder Kopfschmerzen (28 Patienten, 13,1 %). Es gab auch Symptome des peripheren Nervensystems wie Geschmacksstörungen (12 Patienten, 5,6 %) und Störungen des Geruchssinns (11 Patienten; 5,1 %). 6 Patienten (2,8 %) erlitten einen Schlaganfall. Bei 23 Patienten (10,7 %) wurden Hinweise auf eine Muskelschädigung (Schmerz oder Anstieg der Kreatinkinase im Serum auf über 200 U/l) gefunden, die laut Hu mit den Nervenschädigungen in Verbindung stehen könnten.
Die neurologischen Symptome traten bereits in den ersten beiden Erkrankungstagen auf (während sie bei SARS eine Spätkomplikation waren). 2 der Schlaganfall-Patienten hatten bei Ankunft in der Klinik noch keine Atemwegssymptome entwickelt. Der Verdacht auf COVID-19 wurde erst gestellt, nachdem in der Computertomografie Zeichen einer beginnenden Pneumonie entdeckt wurden. Andere Patienten mit Atemwegssymptomen wurden auf die neurologische Station verlegt, nachdem die Tests auf SARS-CoV-2 zunächst negativ ausfielen.
Am häufigsten wurden die neurologischen Symptome bei Patienten mit schweren Lungenerkrankungen (nach einer Leitlinie der American Thoracic Society) gefunden (45,5 versus 30,2 % bei leichter Lungenerkrankung). Dies traf sowohl auf akute zerebrovaskuläre Erkrankungen (5,7 versus 0,8 %), Bewusstseinsstörungen (14,8 versus 2,4 %) als auch auf Muskelschäden (19,3 versus 4,8 %) zu.
Hu rät den Neurologen, bei akuten Erkrankungen, etwa einem Schlaganfall, stets an die Möglichkeit einer Infektion mit SARS-CoV-2 zu denken und entsprechende Tests durchzuführen. Wie die neurologischen Symptome zustande kommen, ist nicht bekannt.
Ein plausibler, aber derzeit nicht bewiesener Pathomechanismus wäre ein retrograder Transport über den Riechnerven. Dies würde das häufige Auftreten von Geruchs- und Geschmacksstörungen erklären, die auch von anderen Forschergruppen beschrieben wurden.
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