Medizin

COVID-19: Virus befällt vor dem Tod zahlreiche Organe

  • Dienstag, 30. März 2021
/peterschreiber.media, stock.adobe.com
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Jena – Bei einem schweren Verlauf von COVID-19 kann SARS-CoV-2 viele Organe befallen. Die höchste Viruslast wurde in einer Fallserie von frühen Autopsien jedoch in den Lungen gefunden, wo die Viren erhebliche Schäden angerichtet hatten. Am Tod beteiligt waren laut der Publikation in eLife (2021; DOI: 10.7554/eLife.60361) eine exzessive Immunreaktion und Störungen der Blutgerinnung.

Nach dem Tod kommt es zu einem raschen Untergang der Viren. Um die prämortale Ausbreitung von SARS-CoV-2 zu ermitteln, war deshalb eine rasche postmortale Untersuchung notwendig. Einem Team aus Virologen und Mikrobiologen, Rechtsmedizinern und Pathologen sowie Intensivmedizinern am Universitätsklinikum Jena ist es gelungen, 11 Patienten nach dem Tod an COVID-19 innerhalb von 1,5 bis 15 Stunden zu obduzieren und die Ausbreitung der Viren zu untersuchen.

Die höchste Viruslast fanden Stefanie Deinhardt-Emmer und Mitarbeiter mit mehr als 4.000/ml im Lungengewebe. Dort wurden die Viren auch mit dem Elektronenmikroskop in Fibrozyten in unmittel­barer Umgebung der Alveolen entdeckt. Die Viren hatten an dieser Stelle bereits die Pneumozyten zerstört und das darunter liegende Bindegewebe freigelegt. Die Folge waren Einblutungen in die Alve­olen, die mit für die Hyperämie und das Ödem der Lungen verantwortlich waren, die bei der Obduk­tion makroskopisch erkennbar waren. Lungenversagen und Pneumonie waren von den Klinikern als häufigste Todesursachen angegeben worden.

Die Viren waren jedoch keineswegs auf die Lungen beschränkt. Die Forscher konnten sie auch im Lymph­gewebe, im Magen-Darm-Trakt, in Schilddrüsen und Nebennieren, im Gehirn, in Herz und Blutgefäßen, in einigen Geschlechtsorganen, in Nieren und Blase sowie in Blut und Knochenmark nachweisen. In diesen Organen war laut Deinhardt-Emmer der Zusammenhang mit den Gewebeschäden allerdings nicht so klar ersichtlich wie in den Lungen. Außerdem war die Viruslast geringer.

Die postmortalen Blutuntersuchungen zeigen, dass einige Entzündungsmarker erhöht und die Blut­gerinnung vor dem Tod aktiviert war. Zu den Entzündungsmarkern gehören die Interleukine 6 und 8. Ihr Anstieg ist ein Zeichen für einen Zytokinsturm, der für den Tod der Patienten mitverantwortlich gewesen sein könnte.

Interleukin 6 ist ein zentrales Zytokin des angeborenen Immunsystems, das im Fall einer Virusinfektion frühzeitig von den Makrophagen gebildet wird. Ein Makrophagen-Aktivierungssyndrom wird als Ursache für den Zytokinsturm vermutet. Ein Hinweis hierfür war die Hämophagozytose, die die Jenaer Forscher bei einem Patienten im Knochenmark entdeckten: Überaktive Makrophagen hatten sich dort andere Blutzellen „einverleibt“.

Auf eine gesteigerte Blutgerinnung deutete unter anderem der Anstieg des Plasminogenaktivators tPA (und seines Inhibitors PAI) und P-Selectin hin. Bei den Patienten wurden zahlreiche Hinweise für eine abnorme Blutgerinnung gefunden, darunter Infarkte in Lunge und Milz sowie fulminante Thrombosen in der Prostata oder Blutungen im Kleinhirn. Bei 4 Patienten wurden größere Thrombembolien gefunden. Bei einem dieser Patienten war eine Lungenembolie unmittelbar für den Tod verantwortlich.

Ein weiterer häufiger Befund war der Befall der Lymphknoten, deren follikuläre Struktur bei vielen Patienten zerstört war. Bei allen Patienten wurden Virusgene im Lymphgewebe nachgewiesen. Die Betei­ligung des Herzmuskels, die Kardiologen als Ursache für den häufigen Anstieg des Herzinfarktmarkers Troponin vermuten, war bei den Jenaer Patienten dagegen minimal. Auch Infektionen des Endothels, die andere Forscherteams als Auslöser der Thrombosen betrachten, waren nicht erkennbar.

rme

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