Medizin

Dänische Impfstoffstudie: Scharfe Kritik von Kennedy – sachliche Replik des Hauptautors

  • Donnerstag, 14. August 2025
/Juan, stock.adobe.com
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Washington, D.C./Kopenhagen – Der Einfluss von Aluminium in Impfstoffen auf die Gesundheit von Kindern bleibt ein hoch umstrittenes Thema – zu dem sich nun der US-Gesundheitsminister und Impfkritiker Robert F. Kennedy Jr. mit Blick auf eine dänische Studie äußerst heftig zu Wort gemeldet hat. Deren Hauptautor Anders Hviid entgegnete der Kritik sowie Kennedys Forderung nach Rücknahme der Studie sachlich.

Die großangelegte dänische Kohortenstudie, veröffentlicht im Juli in den Annals of Internal Medicine (2025; DOI: 10.7326/ANNALS-25-00997), kam zu dem Ergebnis, dass Aluminium in Impfstoffen nicht mit einem erhöhten Risiko für Autoimmunerkrankungen, Allergien oder neurologische Entwicklungsstörungen wie Autismus oder ADHS einhergeht.

Kennedy, der seit Jahren Zweifel an Impfungen sät, reagierte mit einem unwirschen Meinungsartikel auf TrialSite News, einem unabhängigen Onlineportal, das über klinische Forschung berichtet.

In dem Text behauptete der Minister, die Studie weise statistische Fehler auf und unterlasse die Berücksichtigung eines „Collider-Bias“, insbesondere im Hinblick auf Hausarztbesuche. Dadurch seien mögliche Zusammenhänge zwischen Aluminiumexposition und Gesundheitsproblemen künstlich verschleiert worden.

Collider-Bias tritt auf, wenn 2 oder mehr Variablen einen gemeinsamen Einfluss auf eine 3. Variable haben und diese 3. Variable in der Analyse berücksichtigt wird. Dadurch kann ein falscher Zusammenhang zwischen den ursprünglichen Variablen entstehen.

Im Kontext der Studie bedeutet dies: Wenn sowohl Impfstatus als auch gesundheitliche Probleme die Häufigkeit von Hausarztbesuchen beeinflussen, kann die Berücksichtigung dieser Besuche in der Analyse zu verzerrten oder scheinbaren Zusammenhängen führen.

Hauptautor Hviid vom Statens Serum Institut in Dänemark wies diese Kritik zurück. Er erklärte ebenfalls auf Trial Site News, dass die Analyse derartige statistische Fallstricke angemessen berücksichtige und die Daten sorgfältig ausgewertet worden seien.

In einem weiteren Artikel auf der Seite stellt Hviid klar: „Das setzt voraus, dass Aluminium bei einem messbaren Anteil der Kinder – vor jeder Diagnose – zuverlässig eine frühe subklinische Erkrankung verursacht und dass dieser Mechanismus stark genug ist, um einen Datensatz von 1,2 Millionen Kindern zu verzerren.“ Dies könne durch die Entfernung dieser Variable untersucht werden.

Kennedy monierte darüber hinaus das Fehlen einer Kontrollgruppe von Ungeimpften. Hviid erläuterte, dass die Datengrundlage der dänischen Impfstatistiken keine ausreichend große Gruppe ungeimpfter Kinder enthält – nur etwa 2 % der Kinder in Dänemark bleiben ungeimpft – wodurch eine Kontrollgruppe für aussagekräftige Analysen nicht möglich sei.

Kritik an Ausschlusskriterien und fehlenden Rohdaten

Der US-Gesundheitsminister kritisierte außerdem, die Studie habe bestimmte Gruppen von Kindern ausgeschlossen, die besonders hohen Aluminiumexpositionen ausgesetzt seien, und nicht alle Rohdaten veröffentlicht. Entsprechend würden die Autorinnen und Autoren wichtige gesundheitliche Risiken verschleiern und eine vorgefasste Schlussfolgerung bestätigen.

Hviid betonte, dass die Studiendesigns und Ausschlusskriterien transparent seien und auf etablierten epidemiologischen Methoden beruhten. Rohdaten auf individueller Ebene könnten aus Datenschutzgründen nicht freigegeben werden, die aggregierten Daten seien jedoch für weitere Analysen zugänglich. Zudem seien die meisten von Kennedy kritisierten Punkte durch methodische Gründe oder gesetzliche Rahmenbedingungen erklärbar, nicht durch bewusste Verzerrung.

Nachbeobachtungszeit und Datenrevision im Kreuzfeuer

Kennedy argumentierte weiter, dass die Studie eine unzureichende Nachbeobachtungszeit aufweise: Kinder würden in Dänemark oft erst nach dem 7.-12. Lebensjahr mit Autismus oder ADHS diagnostiziert, die Studie folge ihnen jedoch nur bis maximal 8 Jahre. Dies führe zu einer Untererfassung der relevanten Erkrankungen.

Auch habe es eine nachträgliche Revision des Supplementary Materials (Zusatzmaterial) gegeben, bei der die Zahl der berichteten Fälle von rund 2.200 auf über 5.200 stieg – laut Kennedy ein Versuch, statistisch signifikante Zusammenhänge zu verschleiern.

Hviid wies auch diese Kritik zurück. Die Änderungen im Supplementary Material spiegelten präzisere Datenbereinigungen und Nachmeldungen wider, nicht etwa eine gezielte Manipulation. Zudem betonte Hviid, dass die Studie auf einem etablierten Studiendesign des US-Forschers Matthew Daley (Academic Pediatrics, 2023; DOI: 10.1016/j.acap.2022.08.006) aufbaute, das methodisch vergleichbar sei.

Diese Studie hatte tatsächlich Zusammenhänge zwischen Aluminium in Impfstoffen und Asthma-Erkrankungen bei Kindern nahegelegt. „Ich wurde gefragt, ob wir diese Erkenntnis anhand dänischer Daten reproduzieren könnten“, beschreibt Hviid die Entstehung der nun angegriffenen Arbeit.

Die Nachverfolgung der Kinder bis zu 8 Jahren sei für eine Registerstudie dieser Größenordnung üblich, und Einschränkungen hinsichtlich des Diagnosealters von Autismus und ADHS seien akzeptable Limitationen, die die Kernergebnisse nicht infrage stellten. Frühere Arbeiten hätten zudem gezeigt, dass viele relevante Störungen bereits vor dem Alter von 8 Jahren diagnostiziert würden, sodass die Ergebnisse valide blieben.

Angriff auf das Statens Serum Institut

Kennedy nannte die Studie ein „täuschendes Propagandastück der Pharmaindustrie“ und bezeichnete das Statens Serum Institut als verlängerten Arm der dänischen Impfstoffindustrie. Er behauptete, die Institution habe wirtschaftliche Interessen an Impfprogrammen und könne daher keine unabhängige Forschung zu möglichen Risiken leisten.

Hviid wies diese Darstellung zurück. Das Institut sei eine staatliche Einrichtung unter dem dänischen Gesundheitsministerium, die Forschung, Krankheitsüberwachung und Impfstoffbereitstellung im öffentlichen Auftrag durchführe. Die Studie sei zudem vollständig von der dänischen Regierung finanziert worden, ohne industrielle Geldgeber. Die Behauptung einer gezielten Einflussnahme der Pharmaindustrie entbehre jeder Grundlage.

Antwort der Annals-Chefredaktion

Die Chefredakteurin der Annals of Internal Medicine, Christine Laine, verteidigte die Veröffentlichung in einem ausführlichen Kommentar unter der Studie – ohne dabei direkt Kennedy oder andere Kritiker zu nennen. Ein konstruktiver, kritischer Austausch sei zentral für die Stärkung wissenschaftlicher Evidenz, erklärte sie.

Und weiter: „Annals ist der Ansicht, dass die Studie von Andersson und Kollegen zu den derzeit aussagekräftigsten Forschungsarbeiten gehört, die sich mit der wichtigen Frage befassen, ob ein Zusammenhang zwischen der Dosis der Aluminiumexposition durch Impfstoffe und chronischen Erkrankungen im frühen Kindesalter besteht.“

Die Datenbasis sei umfangreicher als in den USA verfügbare Register, mit verknüpften Impf- und Gesundheitsdaten aus der gesamten Kindheit. „Wie alle Beobachtungsstudien hat jedoch auch diese Studie ihre Grenzen“, so Laine. Unterschiedliche methodische Ansätze böten jeweils Vor- und Nachteile.

Entsprechend habe die Redaktion die Autorinnen und Autoren gebeten, auf Kommentare zu den Studienmethoden zu antworten und Fehlwahrnehmungen zu korrigieren, beispielsweise dass nur Krankenhausaufenthalte zur Ermittlung der Ergebnisse herangezogen wurden. Tatsächlich haben sich die Autorinnen und Autoren bereits mehrfach in den Kommentaren zu Wort gemeldet.

Im 2. Teil ihrer Stellungnahme ging Laine auf konkrete Kritikpunkte ein. So habe es sich bei der zunächst fehlerhaften Version des „Supplementary Materials“ um einen administrativen Uploadfehler gehandelt, nicht um wissenschaftliches Fehlverhalten.

Die Zeitschrift habe für die Veröffentlichung keine Industrieunterstützung erhalten. Hinweise auf geringfügig signifikante Ergebnisse in Sekundäranalysen erklärte Laine mit der hohen Zahl statistischer Vergleiche, die rein zufällige Treffer wahrscheinlich mache.

Entscheidend seien die primären adjustierten Analysen, die keine Hinweise auf einen eindeutigen Zusammenhang zwischen impfstoffbedingtem Aluminium und den untersuchten Erkrankungen bis zum Alter von 5 bzw. 8 Jahren ergaben.

Die Chefredakteurin betont: „In Übereinstimmung mit dem International Committee of Medical Journal Editors ist eine Rücknahme nur dann gerechtfertigt, wenn schwerwiegende Fehler die Ergebnisse ungültig machen oder wenn ein dokumentiertes wissenschaftliches Fehlverhalten vorliegt, was hier nicht der Fall ist.“

Fachliche Unterstützung für die Studie

In einer Meldung der Nachrichtenagentur Reuters lobte Adam Finn, Kinderimpfexperte an der University of Bristol, die Arbeit: Diese sei die bislang beste verfügbare Evidenz zur Sicherheit von Aluminium in Impfstoffen. „Es handelt sich um einen soliden, umfangreichen Datensatz mit Daten von hoher Qualität“, so Finn, der nicht an der Studie beteiligt war.

Auch die Plattform TrialSite News verteidigte die Studie in Bezug auf Skalierung, Transparenz und Finanzierung, räumte aber ein, dass Limitationen des Designs diskutiert werden können. „Natürlich beweist sie weder die allgemeine Sicherheit für alle Bevölkerungsgruppen, noch schließt sie subtile Auswirkungen oder seltene Anfälligkeiten aus“, heißt es auf der Seite.

Die Studie schließe aber überzeugend moderate bis große Risiken durch Aluminiumadjuvanzien in dänischen Impfprogrammen für Kinder aus: „Die dänische Studie ist nicht perfekt, aber sie ist seriöse Wissenschaft und bleibt ein hochrangiger Beweisdatensatz.“

Weitere kritische Stimmen

Kennedy ist nicht der einzige Kritiker der Studie. Weitere Stimmen, darunter Organisationen und Einzelpersonen aus dem antivakzinären Spektrum, haben an unterschiedlichen Stellen – auch in der Kommentarspalte unter dem Artikel des Fachjournals selbst – ähnliche Einwände geäußert, etwa zu statistischen Auswertungen, zur Nachverfolgungsdauer oder zu möglichen Interessenkonflikten des Statens Serum Instituts.

Auch hier weisen Hviid und die Fachgemeinschaft darauf hin, dass die methodischen Entscheidungen nachvollziehbar und dokumentiert seien und dass keine Hinweise auf wissenschaftliches Fehlverhalten vorlägen.

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