Medizin

Experten: Impfstofftyp könnte Ursache für Nebenwirkungen sein

  • Mittwoch, 14. April 2021
/picture alliance, SvenSimon | Frank Hoermann
/picture alliance, SvenSimon | Frank Hoermann

Berlin – Die seltenen schweren Nebenwirkungen nach der Impfung mit den Präparaten von Astrazeneca und Johnson & Johnson hängen deutschen Experten zufolge möglicherweise mit dem speziellen Typ dieser Impfstoffe zusammen.

„Die Tatsache, dass beide Impfstoffe auf dem gleichen Prinzip beruhen und die gleichen Probleme verur­sachen, spricht meines Erachtens eher dafür, dass der Vektor selbst die Ursache ist“, sagte Johannes Ol­den­burg vom Universitätsklinikum Bonn. Allerdings sei das zum gegenwärtigen Zeitpunkt spekulativ.

Der US-Pharmakonzern Johnson & Johnson hatte gestern wegen Berichten über Sinusvenenthrombosen nach der Impfung den Marktstart seines Präparats in Europa aufgeschoben – nur einen Tag nachdem mit der Auslieferung begonnen worden war.

Zuvor hatten Behörden in den USA ein vorübergehendes Aussetzen der Impfungen empfohlen, nachdem im Land 6 Fälle der Hirnvenenthrombosen erfasst worden waren. In 3 Fällen kam es zusätzlich zu einer Thrombozytopenie, also einem Mangel an Blutplättchen. Seit der Zulassung Ende Februar wurden in den USA mehr als 6,8 Millionen Dosen des Impfstoffes eingesetzt.

Erst im März hatte Deutschland Impfungen mit dem Produkt des Herstellers Astrazeneca vorübergehend ausgesetzt. Auch andere europäische Länder stoppten die Impfungen zeitweise. Hintergrund war eben­falls eine auffällige Häufung der speziellen Thrombosen in Verbindung mit einem Mangel an Blutplätt­chen nach Impfungen mit dem Präparat. Inzwischen wird der Einsatz von Astrazeneca hierzulande nur für Menschen ab 60 Jahren empfohlen.

In beiden Präparaten wird ein an sich harmloses Adenovirus als sogenannter Vektor genutzt, um Erbin­formationen des Coronavirus in den Körper zu schleusen. Es sei theoretisch auch denkbar, dass das Spike­protein des Virus, das in allen verfügbaren Impfstoffen dem Immunsystem zur Bildung von Abwehr­stoffen präsentiert wird, die Nebenwirkungen verursacht, erklärte Oldenburg. Ebenso sei es grundsätz­lich möglich, dass die Nebenwirkungen unspezifisch im Rahmen der allgemeinen Immunantwort aus­gelöst würden.

Auch Clemens Wendtner vermutet, dass den Nebenwirkungen bei beiden Impfstoffen ein ähnlicher Me­chanismus zugrunde liegt. „Wir haben im Fall von Johnson & Johnson die gleichen Nebenwirkungen, die auch bei Astrazeneca aufgetaucht sind“, sagt Wendtner, Chefarzt an der München Klinik Schwabing. „Da stellt sich die Frage, ob es hier einen Klasseneffekt gibt, also die Adenoviren, die als Vektoren genutzt werden, die Probleme auslösen.“

Einige Experten wie Andreas Greinacher von der Universitätsmedizin Greifswald (UMG) vermuten, dass die Betroffenen im Verlauf der Immunreaktion bestimmte Antikörper bilden. Diese aktivieren dann die Blutplättchen, was wiederum zu Blutgerinnseln führt.

Bei einer Sinusvenenthrombose kommt es zu einem Verschluss bestimmter Venen im Gehirn durch Blut­gerinnsel. Dies macht sich vor allem durch Kopfschmerzen bemerkbar, auch epileptische Anfälle, Läh­mun­gen oder Sprachstörungen können auftreten. Ein Mangel an Blutplättchen wiederum führt zu einer erhöhten Blutungsneigung. Als Symptome treten punktförmige Einblutungen in die Haut oder Schleim­­häute auf, gelegentlich auch starkes Nasenbluten.

Bis zum 8. April wurden dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) 46 Fälle einer Sinusvenenthrombose nach Impfung Astrazeneca-Impfstoff (Vaxzevria) gemeldet, in 24 Fällen zusätzlich eine Thrombozytopenie. 5 Frauen und 3 Männern starben. Mit Ausnahme von 7 Fällen betrafen alle Meldungen Frauen im Alter zwischen 20 und 66 Jahren. Die Männer waren 24 bis 58 Jahre alt.

dpa

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung