Medizin

Immuntherapie mit Avelumab verlängert Leben bei fortgeschrittenem Urothelkarzinom

  • Montag, 28. September 2020
/SciePro, stock.adobe.com
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London – Eine Erhaltungstherapie mit dem Anti-PD-L1-Antikörper Avelumab, der im letzten Jahr zur Behandlung des Merkelzellkarzinoms zugelassen und inzwischen auch zur Behandlung des Nierenzellkarzinoms eingesetzt wird, hat in einer Phase-3-Studie die Überlebenszeiten von Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom verlängert.

Die Endergebnisse der „JAVELIN Bladder 100“-Studie, die jetzt auf dem Virtual Congress 2020 der European Society for Medical Oncology (ESMO) vorgestellt und im New England Journal of Medicine (2020; DOI: 10.1056/NEJMoa2002788) publiziert wurden, haben in den USA bereits zu einer Zulassungserweiterung geführt, nachdem erste Ergebnisse bereits im Juni auf der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) bekanntgegeben wurden.

Metastasierte Urothelkarzinome, die zu etwa 2/3 in der Harnblase ihren Ursprung haben, werden heute in der Regel mit einer platinbasierten Chemotherapie behandelt. Bei etwa 75 bis 80 % der Patienten kann das Tumorwachstum zunächst gestoppt werden. Voll­ständige Remissionen sind jedoch selten, und bei den meisten Patienten kommt es in den ersten 9 Monaten zur erneuten Tumorprogression.

Urothelkarzinome exprimieren häufig den PD-1-Liganden („Programmed cell death protein 1“), mit dem Tumorzellen den Angriff von T-Zellen abwenden können. Checkpoint-Inhibi­toren wie der Anti-PD-L1-Antikörper Avelumab könnten deshalb bei diesen Tumoren wirksam sein.

Beim Urothelkarzinom besteht die Strategie darin, die Patienten zunächst mit einer effektiven Chemotherapie zu behandeln und dann eine Erhaltungstherapie mit einem Checkpoint-Inhibitor anzuschließen. Die Checkpoint-Inhibitoren sollen die körpereigene Immunabwehr, die unter einer Chemotherapie blockiert ist, reaktivieren und den Angriff der T-Zellen auf die Tumorzellen lenken, die die Chemotherapie überlebt haben.

In der „JAVELIN Bladder 100“-Studie hat sich diese Strategie jetzt als wirksam erwiesen. An der internationalen Studie hatten an 197 Zentren 700 Patienten teilgenommen, bei denen unter einer platinbasierten Chemotherapie (4 bis 6 Zyklen Carboplatin oder Cisplatin plus Gemcitabin) das Tumorwachstum über wenigstens 4 bis 10 Wochen gestoppt werden konnte.

Die Patienten wurden dann zu gleichen Teilen auf eine Erhaltungstherapie mit Avelumab oder auf eine alleinige supportive Behandlung randomisiert. Primärer Endpunkt war das Gesamtüberleben. Wie Thomas Powles von der Queen Mary University of London und Mitarbeiter jetzt berichten, verlängerte Avelumab in der Gesamtgruppe die mediane Überlebenszeit von 14,3 auf 21,4 Monate, was eine Hazard Ratio von 0,69 auf einen Tod ergibt, die mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,56 bis 0,86 hochsignifikant war. Die 1-Jahres-Überlebensrate stieg von 58,4 auf 71,3 %.

Bei den 358 Patienten, bei denen der PD-1-Ligand im Tumorgewebe nachgewiesen wurde, stieg die 1-Jahres-Überlebensrate von 60,4 auf 79,1 %. Die Hazard Ratio auf den Tod betrug hier 0,56 mit einem 95-%-Konfidenzintervall von 0,40 bis 0,79.

Das mediane progressionsfreie Überleben wurde in der Gesamtgruppe durch Avelumab von 2,0 auf 3,7 Monate verlängert (Hazard Ratio 0,62; 0,52 bis 0,75). Bei den PD-L1-positiven Patienten stieg das progressionsfreie Überleben von 2,1 auf 5,7 Monate (Hazard Ratio 0,56; 0,43 bis 0,73).

Bei der Verträglichkeit bestätigten sich die bisherigen Erfahrungen mit Avelumab. Die Inzidenz unerwünschter Ereignisse jeglicher Ursache betrug in der Avelumabgruppe 98,0 % gegenüber 77,7 % in der Kontrollgruppe. Die Inzidenz unerwünschter Ereignisse vom Grad 3 oder höher betrug 47,4 % beziehungsweise 25,2 %. Insgesamt 41 Patienten (11,9 %) brachen die Behandlung mit Avelumab aufgrund von Nebenwirkungen vorzeitig ab.

Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat die Zulassung von Avelumab aufgrund der Ergeb­nisse der „JAVELIN Bladder 100“-Studie auf die Erhaltungstherapie bei Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom, das unter platinhaltiger Erstlinien-Chemotherapie nicht fortgeschritten war, erweitert. In Europa steht eine Zulassungserweiterung noch aus.

rme

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