Medizin

Long COVID: Jeder 3. ältere Erwachsene entwickelt nach der Genesung weitere Erkrankungen

  • Donnerstag, 10. Februar 2022
/Mallika, stock.adobe.com
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Boston – Jeder 3. US-Amerikaner im Alter von über 65 Jahren entwickelte in den ersten 120 Tagen nach seiner Genesung von COVID-19 eine andere Erkrankung. Der Prozentsatz war nach der Publikation im Britischen Ärzteblatt (BMJ, 2022; DOI: 10.1136/bmj-2021-068414) höher als in 2 Vergleichsgruppen ohne SARS-CoV-2-Infektion. Es gab jedoch keine Unterschiede zu Senioren, die sich von anderen tiefen Atem­wegserkrankungen erholt hatten.

Eine Infektion mit SARS-CoV-2 ist vor allem für ältere Menschen gefährlich. Selbst wenn sie COVID-19 überleben, muss mit Spätschäden gerechnet werden. Ken Cohen von Optum Labs, einer Beratungsfirma aus Minnetonka bei Minneapolis, und Mitarbeiter haben hierzu die Daten von 87.337 Begünstigten von Medicare ausgewertet, die sich 2020 mit SARS-CoV-2 infiziert hatten. Sie ermittelten, wie viele genesene Senioren danach wegen anderer Erkrankungen in Behandlung waren. Gewählt wurde ein Zeitraum von 120 Tagen ab dem 21. Tag nach der Diagnose von COVID-19.

Da die Folgeerkrankungen nicht zwangsläufig mit COVID-19 im Zusammenhang stehen müssen, bildeten die Forscher 3 Vergleichsgruppen.

Die erste Gruppe bestand aus Medicare-Begünstigten, die 2020 nicht an COVID-19 erkrankt waren. In einer 2. Ver­gleichsgruppe wurden Erkrankungen von Senioren im Jahr 2019 untersucht. Dies sollte eine Verzerrung verhindern, die sich aus den Versorgungsengpässen im 1. Pandemiejahr ergeben könnte. Zur 3. Ver­gleichs­gruppe gehörten Senioren, die an unteren Atemwegserkrankungen sprich Pneumonien aus ande­ren Ursachen erkrankt waren. Dadurch sollte ermittelt werden, ob SARS-CoV-2 die Gesundheit stärker beeinträchtigt als beispielsweise eine Grippe.

Die 3 Vergleichsgruppen wurden so ausgewählt, dass sie in möglichst vielen Eigenschaften mit den von COVID-19 Genesenen übereinstimmten, was auch als Propensity-Score-Analyse bezeichnet wird.

Die Forscher ermittelten, dass 32 % der Genesenen in der postakuten Phase wegen einer oder mehrerer neuer oder anhaltender Erkrankungen einen Arzt aufgesucht hatten. Der Anteil lag um 11 %-Punkte höher als in der Vergleichsgruppe von 2020. Die Genesenen erkrankten häufiger an Atemversagen (plus 7,55 Fälle pro 100 Personen), Abgeschlagenheit (plus 5,66 Fälle), Bluthochdruck (plus 4,43 Fälle), Ge­dächt­­nisstörungen (plus 2,63 Fälle), Nierenfunktionsstörungen (plus 2,59 Fälle), psychische Erkran­kungen (plus 2,50 Fälle), Gerinnungsstörungen (plus 1,47 Fälle) und Herzrhythmusstörungen (plus 2,19 Fälle). Ähnliche Ergebnisse wurden für die Vergleichsgruppe von 2019 gefunden.

Im Vergleich zu den Genesenen von anderen unteren Atemwegserkrankungen kam es bei den COVID-19-Genesenen nur häufiger zu Atemstillstand, Demenz und Müdigkeit (plus 2,39, 0,71 beziehungsweise 0,18 Fälle pro 100 Personen).

Besonders deutlich waren die Unterschiede bei Patienten über 75 Jahren und bei Patienten, die im Rah­men ihrer COVID-19-Erkrankung im Krankenhaus behandelt wurden.

Auch wenn eine retrospektive Auswertung von Krankenakten den Zusammenhang mit den neu aufgetre­tenen Erkrankungen nicht beweisen kann und es kaum Unterschiede zu anderen unteren Atemwegs­erkrankungen zu geben scheint, könnten in den nächsten Jahren neue Belastungen auf die Kostenträger zukommen, warnen Cohen und Mitarbeiter.

An COVID-19 sind in den letzten beiden Jahren deutlich mehr Menschen erkrankt als zuvor an einer Grippe, und der Verlauf war in der Regel auch schwerer.

rme

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