Nasenimpfstoff gegen Corona erfolgreich getestet

Berlin – Seit Beginn der Coronapandemie wird an Schleimhautimpfstoffen geforscht. Nun haben Berliner Forschende eine abgeschwächte Lebendimpfung gegen SARS-CoV-2 für die Nase entwickelt. In Nature Microbiology beschreiben sie, wie diese eine bessere Immunität vermittelt als Impfstoffe, die in den Muskel gespritzt werden (2023; DOI: 10.1038/s41564-023-01352-8).
Das Berliner Forschungsteam von der Freien Universität (FU) Berlin, Max Delbrück Center und Charité – Universitätsmedizin Berlin will das Virus genau dort bekämpfen, wo es zuerst angreift: an den Schleimhäuten von Nase, Mund, Rachen und Lunge.
Die Wirkung des neu entwickelten nasalen COVID-19-Impfstoffs sCPD9 testeten die Wissenschaftler an Hamstermodellen, die das Team bereits zu Beginn der Pandemie an der FU Berlin etabliert hatte. Nach einer 2-maligen Gabe des Impfstoffes konnte sich das Virus im Modellorganismus nicht mehr vermehren.
„Das Immungedächtnis wurde sehr gut angeregt, und die Schleimhäute waren aufgrund der hohen Antikörperkonzentration sehr gut geschützt“, erklärte Co-Letztautor der Studie Jakob Trimpert, Tiermediziner und Arbeitsgruppenleiter am Institut für Virologie der FU Berlin. Auch die Übertragbarkeit des Virus könnte auf diese Weise deutlich reduziert werden.
Nasale 2-fache Impfung im Vergleich am besten
Darüber hinaus verglichen die Wissenschaftler die Wirksamkeit des abgeschwächten Lebendimpfstoffes mit der von intramuskulär injizierten Impfstoffen. Dafür impften sie die Hamster entweder 2-mal mit dem Lebendimpfstoff, einmal mit dem mRNA- und danach mit dem Lebendimpfstoff, oder 2-mal mit einem mRNA- oder Adenovirus-basiertem Impfstoff.
An Gewebeproben der Nasenschleimhaut und Lunge überprüften sie dann, wie stark bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 die Viren die Schleimhautzellen noch angreifen konnten. Außerdem bestimmten sie das Ausmaß der Entzündungsreaktion mithilfe der Einzelzell-RNA-Sequenzierung.
„Der abgeschwächte Lebendimpfstoff schnitt in allen Parametern besser ab als die Vergleichsimpfstoffe“, fasst der Co-Letztautor Emanuel Wyler vom Max-Delbrück-Center für Molekulare Medizin zusammen. Er erforscht das Coronavirus seit Ausbruch der Pandemie in der Arbeitsgruppe „RNA-Biologie und Posttranscriptionale Regulation“.

Ausschlaggebend dafür dürfte sein, dass der nasal verabreichte Impfstoff eine Immunität direkt an der Eintrittspforte des Virus aufbaut.
Außerdem enthält der Lebendimpfstoff alle Virusbestandteile und nicht nur das Spike-Protein, wie es beim mRNA-Impfstoff der Fall ist.
Spike ist zwar das wichtigste Antigen des Virus – doch das Immunsystem kann das Virus darüber hinaus an ungefähr 20 weiteren Proteinen erkennen.
Den besten Schutz vor SARS-CoV2 konnte eine 2-fache Impfung über die Nase erzielen, gefolgt von der Kombination aus einer Injektion des mRNA-Impfstoffes in den Muskel und dem anschließend nasal verabreichten Lebendimpfstoff.
„Das könnte den Lebendimpfstoff besonders als Booster interessant machen“, sagte Co-Erstautorin der Studie Julia Adler, Tierärztin und Doktorandin am Institut für Virologie der Freien Universität Berlin.
T-Gedächtniszellen in der Lunge reaktiviert
Es sei der Nachweis gelungen, dass es bei vorangegangener intranasaler Impfung auch zu einer verstärkten Reaktivierung lokaler T-Gedächtniszellen im Falle einer SARS-CoV-2-Infektion gekommen ist, erklärte die Co-Erstautorin Geraldine Nouailles, Immunologin und Arbeitsgruppenleiterin an der Klinik für Pneumologie, Beatmungsmedizin und Intensivmedizin der Charité.
„Ihre Positionierung in der Lunge ermöglicht es ihnen, schnell auf Krankheitserreger zu reagieren, die über die Atemwege eindringen.“
Im Idealfall regt ein nasaler Lebendimpfstoff direkt vor Ort die Bildung von Antikörpern, Immunglobulinen A (IgA), an und lässt damit eine Infektion gar nicht erst zu. Gleichzeitig stimuliert die Impfung auch systemische Immunreaktionen, was zu einem wirksamen Schutz vor einer Infektion beiträgt.
Klinische Phase-1-Studie geplant
Als nächstes stehen Sicherheitsprüfungen an: Die Forschenden arbeiten dafür mit der RocketVax AG zusammen, einem Schweizer Start-up mit Sitz in Basel. Das Biotech-Unternehmen entwickelt den abgeschwächten Lebendimpfstoff gegen SARS-CoV-2 weiter und bereitet eine klinische Phase-1-Studie im Menschen vor.
Bereits im Herbst vergangenen Jahres wurden 2 Präparate zur Impfung über die Nase in Indien und China zugelassen. Sie beruhen auf abgeschwächten Adenoviren. Weitere nasale Lebendimpfstoffe befinden sich weltweit in der Entwicklung und Erprobung.
Welche Nasen-Impfung am Ende am besten schützt, wird die Zukunft zeigen. Die Hersteller der in Indien und China entwickelten intranasalen Adenovirus-Impfstoffe haben in Europa bislang keine Zulassung beantragt.
Fest steht nach Ansicht der Forschenden allerdings: Da sie als Nasenspray oder -tropfen verabreicht werden, sind nasale Impfstoffe grundsätzlich gut geeignet für einen Einsatz bei begrenztem Zugang zu geschultem medizinischem Personal.
Auch sind sie kostengünstig in der Herstellung, einfach zu lagern und zu transportieren. Nicht zuletzt können Lebendimpfstoffe wie der hier eingesetzte nachweislich einen Kreuzschutz gegen verwandte Virenstämme und somit auch SARS-CoV-2-Varianten bieten.
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