Medizin

Oraler GLP-1-Agonist Orforglipron senkt Körpergewicht

  • Freitag, 8. August 2025
/ryanking999, stock.adobe.com
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Indianapolis – Der orale GLP 1-Agonist Orforglipron, der bereits in der ACHIEVE 1-Studie Blutzucker und Körpergewicht von Patienten mit Typ-2-Diabetes gesenkt hat, erzielte jetzt in der ATTAIN 1-Studie auch bei übergewichtigen und adipösen Patienten eine deutliche Gewichtsreduktion, die von günstigen Effekten auf Herz-Kreislauf-Risikofaktoren begleitet war.

Orforglipron stimuliert wie Semaglutid, Tirzepatid und vergleichbare Wirkstoffe den Rezeptor des Glucagon-like Peptide“-1 (GLP-1). Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass Orforglipron als „Small Molecule“ oral verfügbar ist.

Bei Semaglutid ist dies zwar mithilfe eines Absorptionsverstärkers ebenfalls möglich. Die Einnahme von Rybelsus muss jedoch auf nüchternen Magen erfolgen. Diese Einschränkung besteht für Orforglipron nicht. Der Wirkstoff könnte deshalb die beliebtere „Abnehmpille“ sein, wenn er zugelassen wird.

Der Hersteller Eli Lilly aus Indianapolis hat hierzu mehrere Phase-3-Studien durchgeführt. Im April wurden die Ergebnisse der ACHIEVE-1-Studie an Patienten mit Typ-2-Diabetes in einer Pressemitteilung bekanntgegeben. Primärer Endpunkt war dort der HbA1c-Wert.

Er sank im Vergleich zur Placebogruppe dosisabhängig um 1,3 bis 1,5 %-Punkte, was den Wirkstoff zu einer Alternative zu den anderen GLP-1-Agonisten macht, obwohl direkte Vergleichsstudien noch fehlen. Im Nebeneffekt kam es dosisabhängig zu einer Gewichtsreduktion um 4,7 % (4,4 kg) bis 7,9 % (7,3 kg).

Bei Patienten ohne Typ-2-Diabetes fällt die Gewichtsreduktion erwartungsgemäß größer aus, weil die Patienten keine (anderen) Antidiabetika erhalten, von denen einige das Körpergewicht ansteigen lassen. Dies zeigte sich auch in der weltweiten ATTAIN1-Studie (ohne deutsche Beteiligung).

Orforglipron wurde dort in den Tagesdosierungen von 6 mg, 12 mg und 36 mg mit Placebo verglichen. Die 3.127 Teilnehmer waren entweder mit einem BMI ab 30 kg/m2 adipös oder sie wiesen bei einem BMI ab 27 kg/m2 weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren auf wie Hypertonie, Dyslipidämie, obstruktive Schlafapnoe, oder sie hatten bereits eine manifeste ischämische Herzerkrankung oder eine Herzinsuffizienz (NYHA I-III). Bei diesen Patienten könnte eine Gewichtsreduktion das Risikoprofil verbessern.

Alle Patienten hatten vor Studienbeginn mindestens einen erfolglosen Diätversuch unternommen. In der Studie erhielten sie eine erneute Diätberatung, die allerdings weitgehend erfolglos blieb. Die Gewichtsreduktion betrug nach 72 Wochen in der Placebo-Gruppe nur durchschnittlich 0,9 %.

Unter der Tagesdosis von 12 mg verloren die Teilnehmer 9,3 %, unter der Tagesdosis von 36 mg waren es sogar 12,4 %. Das ist etwas weniger als bei den subkutanen GLP-1-Agonisten. In der publizierten Vergleichsstudie SURMOUNT-5 verloren die übergewichtigen/adipösen Patienten unter der wöchentlichen subkutanen Injektion von Tirzepatid 20,2 % und unter der wöchentlichen subkutanen Injektion von Semaglutid 13,7 % an Gewicht. Ein direkter Vergleich steht zwar noch aus, aber Orforglipron könnte etwas schwächer wirksam sein als die anderen GLP 1-Agonisten.

Die Wirkung reichte jedoch aus, um das kardiovaskuläre Risikoprofil zu verbessern. Laut dem Hersteller kam es unter allen Dosierungen zu einem Rückgang von Non-HDL-Cholesterin, Triglyzeriden und systolischem Blutdruck.

Das hochsensitive C-reaktive Protein, ein Marker für die Entzündungsreaktion im Körper, soll unter der höchsten Dosierung sogar um 47,7 % gefallen sein. Dies berechtigt zu der Hoffnung, dass es in zukünftigen Endpunktstudien zu einem Rückgang der kardiovaskulären Ereignisse kommt, was einen echten medizinischen Nutzen anzeigen würde.

Die Gewichtsreduktion wird allerdings durch eine Reihe von Nebenwirkungen erkauft. Unter der höchsten Dosierung von 36 mg kam es bei 33,7 % der Patienten zu Übelkeit (gegenüber 10,4 % in der Placebo-Gruppe). Eine Obstipation entwickelten 25,4 % versus 9,3 % der Patienten. Zu einer Diarrhö kam es bei 23,1 % versus 9,6 %, zum Erbrechen bei 24,0 % versus 3,5 % und zu einer Dyspepsie bei 14,1 % versus 5,0 % der Patienten. Wegen der Nebenwirkungen brachen 10,3 % versus 2,6 % der Patienten die Behandlung ab.

Stephan Martin vom Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrum in Düsseldorf rechnet damit, dass es auch im klinischen Alltag zu Therapieabbrüchen kommen wird. Damit drohe ein Jojo-Effekt mit einer Verschlechterung des Gesundheitszustands.

Die Erfahrungen mit Semaglutid würden zeigen, dass unter der Therapie neben der Fettmasse auch die Muskelmasse abnehme. Nach dem Absetzen nehme dann in erster Line die Fettmasse zu. Im Endeffekt würden die Muskeln durch Fett ersetzt, warnt Martin.

Stefan Kabisch vom Deutschen Zentrum für Diabetesforschung der Berliner Charité befürchtet, dass Ernährungstherapien – die kausal wirksam seien statt nur die Symptome zu kurieren – in Zukunft noch weiter in den Hintergrund geraten, wenn eine Pille vermeintlich dieselbe oder sogar eine noch bessere Wirkung erziele. Zudem wies er daraufhin der der Studienvergleich gegen ein Placebo ungünstig gewesen sei. Denn so sei der Effekt der Pille besonders stark und man suggeriere bei alleiniger Betrachtung dieser einen Studie, dass es bisher keine potenziell ebenbürtige Therapie gäbe.

Ob und wann Orforglipron zugelassen wird, ist noch nicht klar. Viel dürfte von der Verträglichkeit abhängen. Der US-amerikanische Pharmakonzern Eli Lilly will bis Ende des Jahres die Zulassung des Medikaments beantragen.

Orforglipron muss wie alle „Small Molecules“ zunächst die Leber passieren. Laut dem Hersteller gibt es keine Hinweise auf eine Lebertoxizität. Die Studien sind jedoch noch nicht publiziert und die Arzneimittelagenturen dürften sich diesen Punkt genauer ansehen.

rme

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